Leitsatz (amtlich)
1. Aus einer Nahtinsuffizienz kann nicht auf eine fehlerhafte Naht (hier: Colon-Naht) geschlossen werden.
2. Auch wenn mit einem Klammernahtapparat genäht wurde, kommen dem Patienten keine Beweiserleichterungen unter dem Gesichtspunkt des voll beherrschbaren Risikos zugute.
3. Dem Patienten kommen keine Beweiserleichterungen unter dem Gesichtspunkt einer unterlassenen Befundsicherung zugute, wenn bei der Reoperation das resezierte Darmstück nicht aufbewahrt wurde.
Die Revision wurde mit Beschluß vom 20.06.2000 – VI ZR 355/99 – nicht angenommen.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 15 O 206/97) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.1999 – 15 O 206/97 – wird
zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 55.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Beklagten: |
80.000,00 DM |
Tatbestand
Die Parteien streiten um Krankenhauskosten und Schadensersatzansprüche nach ärztlicher Behandlung.
Bei dem am 06.11.1925 geborenen Kläger wurde im März 1996 ein Adenokarzinom des Zoecums festgestellt. Er wurde am 26.03.1996 im Krankenhaus B. C. der Klägerin stationär aufgenommen und über die Risiken der beabsichtigten Operation zur Tumorentfernung, darunter Nahtdehiszenzen und eventuell erforderliche Nachoperationen aufgeklärt. Am 28.03.1996 wurde der Tumor mit einer rechtsseitigen Hemikolektomie entfernt. Wegen des Lumenunterschieds zwischen Ileum und Quercolon erfolgte keine End-Zu-End-Anastomosierung, sondern ein Blindverschluß des Quercolons mit einem Klammernahtapparat TA 55 und einer Einstülpung der Klammernahtreihe mit seromusculären 4 × 0 Vicryl-Einzelknopfnähten. Am 29.03.1996 war es dem Beklagten immer wieder übel, nach Erbrechen stieg der Puls auf 148 Schläge pro Minute an, fiel dann wieder ab. Die Leukozytenzahl betrug 8.900, die Temperatur 38 °C. Am 30.03.1996 stieg die Leukozytenzahl auf 12.600, die Temperatur blieb um die 38 °C, der Inhalt der Magensonde war dunkelbraun. Am 31.03.1996 sank die Temperatur unter 38 °C, die Darmtätigkeit kam in Gang und der Beklagte hatte Stuhlgang. Nachmittags und abends mußte er erbrechen. Am 01.04.1996 stieg die Leukozytenzahl auf 10.400 an, die Temperatur auf 38 °C. Am 02.04.1996 klagte der Beklagte gegen 23.00 Uhr über Bauchschmerzen, die ihn erst nach der Einnahme eines Schmerzmittels um 0.30 Uhr einschlafen ließen. Am 03.04.1996 wurde bei einer Sonographie viel Flüssigkeit im Darm und Flüssigkeit im rechten Unterbauch festgestellt, die Leukozytenzahl betrug 8.700. Am 04.04.1996 erbrachte eine Sonographie freie Flüssigkeit im rechten Oberbauch und Mittelbauch, eine Röntgenaufnahme ergab einen Dünndarmileus und unregelmäßige Luftansammlungen im Operationsgebiet. Um 17.00 Uhr mußte der Beklagte erbrechen. Um 21.00 Uhr hatte er eine starke Schmerzattacke mit wässrig-blutigem Stuhl, danach stieg das Fieber auf 39,2 °C an, der Puls auf Werte um 120 Schläge pro Minute und die Leukozytenzahl auf 10.400. Bei Fieber von 38,8 °C und einem Puls um 9.00 Uhr von über 140 Schlägen pro Minute entschlossen sich die Ärzte der Klägerin am 05.04.1996 zur Relaparotomie, die um 13.05 Uhr begann. Dabei wurde eine Insuffizienz der Klammernahtreihe im Bereich der Nahtreihe am Quercolon zum Blindverschluß des Colons mit diffuser kotiger Peritonitis festgestellt. Im rechten Oberbauch fanden sich Fibrinauflagerungen, das Netzgewebe, das die Quercoloninsuffizienz abdeckte, war teilweise nekrotisch. Er wurde entfernt, das Quercolon verschlossen und nach Resektion des neoterminalen Ileums mittels einer Hodge-Sonde ein Anus praeter gelegt. Der Beklagte befand sich bis zum 24.04.1996 auf der Intensivstation und wurde am 15.05.1996 aus der stationären Behandlung entlassen. Am 01.08.1996 wurde er erneut stationär aufgenommen, der künstliche Darmausgang reseziert und wieder eine termino-laterale Ileotransversostomie durchgeführt. Am 10.08.1996 wurde der Beklagte aus dieser stationären Behandlung entlassen.
Das Entgelt für die stationäre Behandlung zwischen dem 26.03.1996 und dem 09.08.1996 beläuft sich auf 30.028,60 DM, wovon auf die Zeit bis 04.04.1996 5.018,10 DM und auf die Zeit danach 25.010,50 DM entfallen.
Die 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart verurteilte den Beklagten durch Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren, an die Klägerin DM 30.028,60 nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der D. B. aus DM 24.936,31 ab 08.08.1996 und aus DM 5.092,29 ab 05.09.1996 sowie 15,00 DM vorgerichtliche Mahnkosten und Auslagen zu bezahlen. Gegen dieses Versäumnisurteil legte der Beklagte Einspruch ein.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie könne 30.028,60 DM vom Beklagten verlangen.
Sie hat beantragt,
das Versäumnisurteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.07.1997 aufrechtzuerhal...