Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Belehrung und eine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F.
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Versicherer erfüllt die formalen Voraussetzungen eines Hinweises gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F. nicht, wenn eine inhaltlich zutreffende Belehrung für den Versicherungsnehmer nicht in unmittelbarer Nähe zu den gestellten Gesundheitsfragen drucktechnisch hervorgehoben wiedergegeben und dort auch nicht präzise und unübersehbar auf den Fundort der Belehrung hingewiesen wird.
2. Belehrungen in Form von einfachen oder mehrfachen sog. Weiterverweisungshinweisen in Versicherungsanträgen (hier: Krankenversicherungsantrag) oder in einem Bedingungswerk reichen für eine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F. nicht aus
Normenkette
VVG § 19 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 18.09.2013; Aktenzeichen 18 O 182/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Stuttgart - 18 O 182/13 - vom 18.9.2013 abgeändert und neu gefasst:
a) Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Krankenversicherungsvertrag, Versicherungs-Nummer: 08/64/2.635504.7, betreffend die versicherte Person U. M., nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 19.3.2012 rückwirkend zum 1.1.2010 angepasst worden ist.
b) Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Krankenversicherungsvertrag, Versicherungs-Nummer: 08/64/2.635504.7, betreffend die versicherte Person M. M., nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 19.3.2012 rückwirkend zum 1.1.2010 angepasst worden ist.
c) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.209,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.6.2013 zu zahlen.
d) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.176,91 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit 8.6.2013 zu zahlen.
2. Die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart - 18 O 182/13 - vom 18.9.2013 wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 19.634,28 EUR
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des LG Stuttgart, mit dem ihre Klage teilweise abgewiesen wurde, soweit die von der Beklagten vorgenommene Vertragsanpassung hinsichtlich des zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrages, die Rückforderung von unter Vorbehalt geleisteten erhöhten Prämien i.H.v. 8.600,64 EUR nebst Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.176,91 EUR geltend gemacht wurden.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Anschlussberufung gegen das Urteil des LG Stuttgart, soweit sie zur Zahlung von unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen der Klägerin i.H.v. 1.608,84 EUR hinsichtlich des Krankenversicherungsvertrags betreffend die versicherte Person M. M., der Sohn der Klägerin, verurteilt und festgestellt wurde, dass der Krankenversicherungsvertrag betreffend die versicherte Person M. M. nicht wirksam durch die Vertragsänderung der Beklagten vom 19.3.2012 rückwirkend zum 1.1.2010 angepasst worden ist.
Die Klägerin beantragte Ende 2009 bei der Beklagten den Abschluss einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und einer privaten Pflegeversicherung für sich selbst und - mit Ausnahme der Krankentagegeldversicherung - für ihre beiden minderjährigen Kinder M. (geboren 6.1.2006) und H. (geboren 18.10.2003) (vgl. Anlagen K 1 und K 2, Bl. 19 ff.).
Die Beklagte verwendete u.a. für die hier streitgegenständlichen Versicherungsverträge mit der Versicherungs-Nr. 08/64/2.635504.7 betreffend die versicherte Person U. M. und für die identische Versicherungs-Nr. 08/64/2.635504.7 betreffend die versicherte Person M. M. den "Antrag auf Krankenversicherung", den die Beklagte als Blanko-Formular vorgelegt hat (Anlage B 2, Bl. 67 ff.).
Das Blanko-Krankenversicherungsantragsformular der Beklagten, das auch bei der Klägerin und deren Sohn M. M. als versicherte Personen Verwendung fand, ist wie folgt aufgebaut:
- Deckblatt
- 2. Seite: "Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung"
- 3. und 4. Seite: "Antrag auf Krankenversicherung" u.a. mit Antragsfragen und Unterschriftszeilen
- 5. Seite: "Wichtige Hinweise und Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Person"
- 6. Seite: "Empfangsbestätigung"
- 7. Seite: Eigenbewerbung/"Testurteile"
Das von der Beklagten verwendete Blanko-Krankenversicherungsantragsformular (Anlage B 2, Bl. 67 ff.) lautet auszugsweise wie folgt:
Seite 2:
"Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung
Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde,
...
Welche Folgen können eintreten, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wird?
1. Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes
...
2. Kündigung
...
3. Vertragsänderung
Können wir nicht zurücktreten oder kündigen, weil wir den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu and...