Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Belehrung und eine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Versicherer erfüllt die formalen Voraussetzungen eines Hinweises gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F. nicht, wenn eine inhaltlich zutreffende Belehrung für den Versicherungsnehmer nicht in unmittelbarer Nähe zu den gestellten Gesundheitsfragen drucktechnisch hervorgehoben wiedergegeben und dort auch nicht präzise und unübersehbar auf den Fundort der Belehrung hingewiesen wird.

2. Die Aufnahme der Belehrung in ein umfangreiches Bedingungswerk ist keine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n. F

 

Normenkette

VVG § 19 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 26.11.2013; Aktenzeichen 4 O 290/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Tübingen - 4 O 290/12 - vom 26.11.2013 abgeändert und neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass der Versicherungsvertrag der Klägerin bei der Beklagten mit der Nr. 1014 149 848-01 durch die Anfechtungserklärung vom 11.6.2012 nicht beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

b) Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Versicherungsvertrag mit der Nr. 1014 149 848-01 nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 3.8.2011 rückwirkend zum 1.11.2010 angepasst worden ist.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 6.300 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des LG Tübingen, mit dem ihre Klage teilweise abgewiesen wurde, soweit die von der Beklagten vorgenommene Vertragsanpassung hinsichtlich der zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen "Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit zusätzlicher Risikoversicherung und Dynamik" als wirksam erkannt sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.761,08 EUR nebst Zinsen geltend gemacht wurden.

Die Klägerin beantragte Ende 2010 bei der Beklagten den Abschluss einer Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Anlage K 3, Bl. 21 ff.: Antrag vom 10.10.2010). Die Beklagte policierte die beantragte Versicherung mit der Versicherungsscheinnummer 1014 149 848-01 mit Versicherungsschein vom 1.11.2010 (Anlage K 1, Bl. 8 ff.). Für die "Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung BR-Plus BG1" ist eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsrente von 18.000 EUR/Jahr vereinbart (Anlage K 1, Bl. 8). Die Jahresprämie für die Risikoversicherung und für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) betrug 812,67 EUR (Anlage K 1, Bl. 8 f.).

Die Beklagte verwendete u.a. für den hier streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Versicherungs-Nr. 1014 149 848-01 den "Antrag", den die Klägerin, insbesondere die "Risiko- und Gesundheitserklärung der zu versichernden Person", ausgefüllt und unterschrieben hat (Anlage K 3, Bl. 21 ff.). Der 8-seitige Antrag enthält auf Seite 2 unter der Rubrik "Risiko- und Gesundheitserklärung der zu versichernden Person" vor den Gesundheitsfragen folgenden Hinweis (Anlage K 3, Bl. 21 ff., 22):

"Wichtiger Hinweis für die versicherte Person zur Anzeigepflicht: Im Rahmen der Antragsprüfung bitten wir Sie, uns einige Fragen zu beantworten. Wichtig dabei ist, dass Sie uns alle Ihnen bekannten Gefahrumstände vollständig und richtig angeben, auch wenn Sie ihnen keine oder nur eine geringe Bedeutung beimessen. Um Ihnen einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz bieten zu können, fragen wir Sie daher nachfolgend nach Umständen, die Einfluss auf einen möglichen Eintritt des versicherten Risikos haben könnten. Wenn wir Sie nach Ihrer Vertragserklärung, aber vor Vertragsannahme in Textform nach Gefahrumständen fragen, sind auch diese Fragen vollständig und richtig zu beantworten. Falls Sie die gestellten Fragen falsch oder unvollständig beantworten, kann die H. Leben vom Vertrag zurücktreten, ihn anfechten, ihn kündigen, ihn anpassen oder die Leistung verweigern (bitte beachten Sie dazu die ausführlichen Hinweise in der Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht). Wir möchten dies gerne vermeiden, müssten aber bei Verletzung Ihrer vorvertraglichen Anzeigepflicht im Interesse der anderen Versicherungsnehmer davon Gebrauch machen. Bitte tragen Sie durch Ihre Antworten zu einem für Sie dauerhaft wirksamen Versicherungsschutz bei.

..."

Seite 3:

"Bitte lesen Sie unbedingt die Schlusserklärung sowie die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht, die wichtiger Bestandteil dieses Vertrages ist. Sie machen sie mit Ihrer Unterschrift zum Inhalt dieses Antrages."

Seite 7 und 8:

"Schlusserklärung, wichtig für die Antragstellung

Diese Erklärungen gelten für alle Versicherungen:

Datenschutz

..."

In den Versicherungsvertrag sind die "Bedingungen und Informationen BED10A" einb...

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