Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, § 9 AGBG, § 307 BGB bei Anwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung einer Zusatzversorgungsrente
Leitsatz (amtlich)
Die Anwendung des in § 39 Abs. 2 der Satzung der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost vorgesehenen Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente verstößt jedenfalls für Versicherte, die bis zum 31.12.2000 versorgungsberechtigt geworden sind, auch nach diesem Stichtag nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, §§ 9 AGBG, 307 BGB (im Anschluss an BGH VersR 2004, 183 zur vergleichbaren Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; AGBG § 9; BGB § 307
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 22.11.2005; Aktenzeichen 25 O 71/05) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 25. Zivilkammer vom 22.11.2005 - 25 O 71/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert der Berufung: 14.722 EUR
(die Streitwertbemessung erfolgte nach § 9 ZPO (3 ½ - facher Wert des einjährigen Bezugs der Rente zzgl. der rückständigen Renten unter Berücksichtigung eines Abschlags für die Feststellungsklage von 20 %).
Gründe
A. Der Kläger ist Versorgungsrentner bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (VAP) und begehrt von den Beklagten die Feststellung, dass die ihm gewährte Versorgungsrente rückwirkend zum 1.2.2003 unter Berücksichtigung eines Nettoversorgungssatzes von 91,75 % festzusetzen ist.
Der Kläger war in der Zeit von 1.2.1981 bis 31.3.1997 Pflichtversicherter bei der VAP. Aufgrund der postbetriebsärztlichen Feststellung der Dienstunfähigkeit i.S.v. § 42 BBG wurde ihm auf seinen Antrag ab 1.4.1997 eine nach § 37 Abs. 5 der VAP-Satzung (nachfolgend: VAPS) in Höhe der Gesamtversorgung berechnete Versorgungsrente zuerkannt. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Halbanrechnung von Vordienstzeiten in § 39 Abs. 2 VAPS rechtwirksam ist.
Wegen der weiteren Enzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Vor dem LG hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte Ziff. 2 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen unter Berücksichtigung eines Nettoversorgungssatzes von 91,75 % zu zahlen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Kläger Leistungen unter Berücksichtigung eines ggü. dem aktuellen Nettoversorgungssatz von 75,44 % erhöhten Nettoversorgungssatzes von 91,75 % zu bezahlen. Die seitens der Beklagten formell korrekt angewandten Vorschriften der §§ 95h, 39 Abs. 2 VAPS, aufgrund derer die außerhalb der Umlagemonate liegenden Zeiten des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (221 Monate) - bei gleichzeitiger voller Anrechnung der auf die Vordienstzeiten entfallenden Rente - lediglich zur Hälfte angerechnet wurden, benachteiligten den Kläger weder unangemessen i.S.v. § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 BGB noch werde der Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Der Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 22.3.2000 - 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341) zur vergleichbaren Halbanrechnung von Zeiten vor Aufnahme der Tätigkeit im Öffentlichen Dienst in der VBL-Satzung sei zu entnehmen, dass für Versorgungsberechtigte, denen bis zum Ablauf des Jahres 2000 gewährt worden sei, eine Ungleichbehandlung noch hinnehmbar sei. Die Regelung stelle eine noch zulässige Typisierung und Generalisierung dar. Im Gegensatz zur älteren sei jedoch in der jüngeren Versichertengeneration ein bruchloser Verlauf einer Erwerbsbiographie im Öffentlichen Dienst nicht mehr in hinreichender Weise typisch, sodass künftig die durch die volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei hälftiger Berücksichtigung dieses Teils bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht mehr hingenommen werden könne. Bei seiner Bewertung lege das BVerfG ersichtlich ein dynamisches System zugrunde, bei welchem die Zahl der mobilen Beschäftigten, welche ggf. durch die Anwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes benachteiligt würden, ständig wachse. Dies treffe auf die VBL, nicht jedoch auf die Beklagte Ziff. 2 zu. Bei dieser handele es sich um ein zwischenzeitlich "geschlossenes System". Denn die bei der Beklagten versicherten Arbeitgeber haben ab Juni 1997 die der Pflichtversicherung zugrunde liegenden Versorgungstarifverträge gekündigt. Im System der Beklagten Ziff. 2 gebe es lediglich 53 Anwärter auf eine Versorgungsrente (Stand: September 2005). Die Rentenberechtigten hätten ihre Ansprüche auf eine Versorgungsleistung bis auf wenige Ausnahmen alle vor dem 1.1.2001 erworben. Die "Deckelung" des Versorgungssystems zum Ende des Jahres 2000 bleibe den Tarifvertragsparteien unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 3 GG unbenommen. Dass sie sich dabei von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen, sei nicht ersichtlich.
Dagegen wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel ...