Leitsatz (amtlich)
1. Nach Eintritt der strafrechtlichen Verjährung besteht kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 Alt. 2 ZPO mehr
2. Wer einen Emissionsprospekt herausgegeben hat, kann dessen Vorlage nicht nach §§ 142 Abs. 2 S. 1, 384 Nr. 2 1. Alt ZPO mit der Begründung verweigern, dass die Vorlage ihm zur Unehre gereiche. Eine Beeinträchtigung der Ehre begründet auch keine Unzumutbarkeit der Vorlage i.S.d. § 142 Abs. 2 S. 1 ZPO.
3. Die Befürchtung, dass nach § 142 Abs. 1 ZPO vorzulegende Unterlagen in weiteren Verfahren gegen den Vorlegenden verwendet werden, begründet jedenfalls dann keine Unzumutbarkeit der Vorlage der Unterlagen, wenn der Vorlegende der Partei, die sich auf die Unterlagen bezogen hat, ohnehin materiell-rechtlich zur Gewährung von Einsicht verpflichtet ist.
4. Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Weigerungsgründe des § 142 Abs. 2 ZPO liegt beim Dritten.
5. Im Zwischenstreit nach §§ 142 Abs. 2 S. 2, 390 ZPO werden lediglich die Unzumutbarkeit der Vorlage und das Vorliegen eines Zeugnisverweigerungsrechts geprüft, nicht hingegen, ob auch die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Vorlage der Urkunden vorlagen. Einwendungen des Dritten hierzu sind aber als Anregung zur Prüfung zu verstehen, die Anordnung von Amts wegen abzuändern oder aufzuheben.
6. Das Gericht ist bei der Auswahl des Adressaten der Vorlageverfügung nach § 142 Abs. 1 ZPO nicht an den Kreis derer gebunden, die die Parteien als mögliche Adressaten benannt haben.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 25 O 2/06) |
Tenor
1. Die ... Treuhand GmbH ist nicht berechtigt, die Vorlage des Emissionsprospekts des Fonds "... Immo GbR III" nach § 384 Nr. 2 ZPO oder wegen Unzumutbarkeit zu verweigern.
2. Die ... Treuhand GmbH trägt die zusätzlichen Kosten des Zwischenstreits.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Zwischenstreits: bis 6.000 EUR.
Tatbestand
Von einer Darstellung wird nach § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I. Die ... Treuhand GmbH ist aufgrund der von ihr vorgebrachten Gründe nicht zur Verweigerung der Vorlage des Emissionsprospekts berechtigt. Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 S. 1 ZPO. Im Einzelnen:
1. Das geltend gemachte Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO besteht nicht.
a) Die Verantwortlichen der ... Treuhand GmbH ziehen sich bei Vorlage des Prospekts nicht die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung (§ 384 Nr. 2 2. Alt. ZPO) zu. Die diskutierten Straftatbestände sind verjährt.
Wie bereits in der Verfügung vom 10.10.2006 dargelegt, entspricht es der vom Senat geteilten allgemeinen Auffassung, dass eine Gefahr strafrechtlicher Verfolgung nicht besteht, wenn strafrechtliche Verjährung eingetreten ist (statt vieler: Damrau in MüncKomm/ZPO, 2. Aufl., § 384 Rz. 10, m.w.N., auch zur Rechtsprechung des BVerfG). Dies liegt darin begründet, dass die Strafverfolgungsbehörden die Verjährung - anders als im Zivilrecht - von Amts wegen zu berücksichtigen haben und daher ein Strafverfahren, sofern es überhaupt zu Vorermittlungen und der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kommen sollte, ohne weitere Befassung und damit ohne Belastung der Verantwortlichen der ... Treuhand GmbH einzustellen wäre.
Wie ebenfalls bereits in der o.g. Verfügung dargestellt und von den Bevollmächtigten der ... Treuhand GmbH auch nicht angegriffen, ist für sämtliche in Betracht kommenden Straftatbestände (dies gilt erst recht für Ordnungswidrigkeiten) die strafrechtliche Verjährung bereits spätestens 1999 eingetreten. Keiner der diskutierten Straftatbestände des Betrugs sowie des Wuchers ist mit einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht - die Strafschärfungen in § 263 Abs. 3 StGB und §§ 302a Abs. 2 StGB aF/291 Abs. 2 StGB nF bleiben bei der Bestimmung der Verjährungsfrist außer Betracht (§ 78 Abs. 4 StGB) -, womit die Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB nach dessen Nr. 4 fünf Jahre beträgt. Selbst wenn die Verjährung unterbrochen worden wäre, wäre die absolute Grenze der Verjährung nach 10 Jahren erreicht gewesen (§ 78c Abs. 3 S. 2 StGB) und zwar gerechnet ab Beendigung der Tat bzw. dem Eintritt des strafrechtlichen Erfolgs (§ 78a StGB). Letzterer trat bereits 1989 ein, weil sich der Beklagte - wie sich aus dem Schließungstermin des Fonds 30.6.1989 und dem Einkommensteuerbescheid des Beklagten für 1989 ergibt - in diesem Jahr beteiligt und seine Einlage als Einmalzahlung erbracht hatte, womit evtl. Schädigern die Früchte der Tat auch in diesem Jahr zugute gekommen waren (vgl. hierzu als Kriterium BGH NJW 1984, 376; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 78a Rz. 8).
b) Die Vorlage des Emissionsprospekts gereicht der ... Treuhand GmbH oder ihren Verantwortlichen auch nicht zur Unehre (§ 384 Nr. 2 1. Alt. ZPO).
Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass die Handlung der Vorlage eines Prospekts allenfalls in seltenen Fällen unehrenhaft sein kann und ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Vielmehr ist zu fragen, ob der Inhalts des Prospekts, wenn er bekan...