Leitsatz (amtlich)
1. Die Forderungseinziehung durch die Transportversicherung gehört zu deren Geschäftsbetrieb und ist vom Erlaubniszwang des Art. 1 § 1 RBerG befreit.
2. Die Sorgfaltsanforderungen an den massenweisen Paketverkehr sind nicht reduziert. Paketsendungen im Massenverkehr können nicht briefähnlichen Sendungen i.S.d. § 449 Abs. 1 HGB gleichgesetzt werden.
3. Vereinbarungen über reduzierte Sorgfaltsanforderungen im Massenverkehr mit Paketen betreffen nicht die Hauptleistungspflichten des Frachtvertrags, sondern stellen Haftungsbeschränkungen dar, die den Anforderungen des § 449 HGB genügen müssen.
4. Die fehlende Wertangabe kann ein Mitverschulden des Versenders begründen, wenn er Kenntnis davon hat, dass das Gut bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt wird.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 17.07.2003; Aktenzeichen 36 O 34/03 KfH) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 17.7.2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 28.737,50 Euro.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung des LG zur Leistung von Schadensersatz im Rahmen einer Paketbeförderung.
Die Beklagte übernahm am 10.10.2002 die Beförderung zweier Pakete der Firma, der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Eines dieser Pakete ist nicht angekommen. Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma und hat den Versicherungsfall in Höhe eines Schadens von 25.000 Euro reguliert. Insgesamt sollen in dem verloren gegangenen Paket 475 Computerarbeitsspeicher im Warenwert von 28.737,50 Euro enthalten gewesen sein.
Die Klägerin hat den Gesamtschaden aus abgetretenem Recht, in Höhe eines Regulierungsbetrags von 25.000 Euro auch aus übergegangenem Recht geltend gemacht.
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und darüber hinaus auch den Paketinhalt und dessen Wert. Außerdem hat sie auf die Haftungsbegrenzung in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen verwiesen und Mitverschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin eingewandt.
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage mit dem am 17.7.2003 verkündeten Urteil stattgegeben.
Es hat die Aktivlegitimation der Klägerin aufgrund der Abtretungen ihrer Versicherungsnehmerin für gegeben angesehen. Eine Unwirksamkeit dieser Abtretung wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 RBerG läge nicht vor. Schon der Tatbestand des Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 RBerG sei nicht gegeben, wenn die Forderungseinziehung nur ausnahmsweise und nicht geschäftsmäßig vorgenommen werde. Im vorliegenden Fall liege die primäre Geschäftstätigkeit der Klägerin darin, in Korrelation zur Verpflichtung zu Versicherungsleistungen auch entsprechenden Regress zu nehmen. Die Vorgehensweise hinsichtlich der Abtretung sei vernünftig und prozessökonomisch und liege darüber hinaus auch im Interesse der Beklagten. Dies gelte auch hinsichtlich der über die Leistungsverpflichtung der Klägerin ggü. ihrer Versicherungsnehmerin hinausgehenden Forderung i.H.v. 3.737,50 Euro.
Darüber hinaus sei auch ein Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG gegeben, da die Geltendmachung von Regreßforderungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Versicherungstätigkeit stehe. Auch der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes erfordere im vorliegenden Fall nicht dessen Anwendung.
Hinsichtlich der verlustig gegangenen Lieferung hat das LG prima facie als erwiesen betrachtet, dass die übergebene Gesamtsendung 16 Arbeitsspeicher zum Wert von 1.868,80 Euro netto und 475 Arbeitsspeicher zum Wert von 28.737,50 Euro enthalten habe. Aufgrund der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen und hat es darüber hinaus für erwiesen erachtet, dass ein Paket mit 475 Arbeitsspeichern im Wert von 28.737,50 Euro verloren gegangen sei.
Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Organisation des Transports nicht nachgekommen sei, seien die im Rahmen des § 435 HGB geltenden Grundsätze zum groben Organisationsverschulden anzuwenden und der Beklagten leichtfertiges Handeln vorzuwerfen. Aus diesem Grunde könne sie sich auch nicht auf Haftungsbegrenzungen in Nr. 9.2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen berufen. Schließlich sei gerade für den Fall der Leichtfertigkeit und des Vorsatzes diese Haftungsbeschränkung selbst nach den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten nicht anwendbar.
Eine Kürzung des Anspruchs wegen eines Mitverschuldens der Versicherungsnehmerin sei nicht vorzunehmen. Die Beklagte habe den Wert der Sendung nicht in einer Weise abgefragt, die für die Versicherungsnehmerin der Klägerin ha...