Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsfreizeichnung eines Transportunternehmens
Verfahrensgang
AG Hanau (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen 32 C 350/03-12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Hanau vom 22.1.2004 - 32 C 350/03-12 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Das beklagte Transportunternehmen übernahm am 11.2.2002 im Auftrage der Firma A. GmbH den Versand eines Pakets von M. nach D. Die Sendung erreichte den Empfänger nicht; mit Verlustanzeige vom 13.2.2002 teilte die Beklagte mit, das Paket sei leer aufgefunden, die Verpackung vernichtet worden. Die Klägerin beansprucht als Transportversicherer der Geschädigten von der Beklagten Schadensersatz für mit dieser Sendung verloren gegangene Telefonkarten im Wert von 936,36 Euro aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Sendung den deklarierten Inhalt gehabt habe und die Klägerin (alleiniger) Transportversicherer der Geschädigten sei. Sie hat sich darüber hinaus auf die Regelungen in Nrn. 3 (a) und (e) sowie 9.2 ihrer Beförderungsbedingungen, Stand Februar 2002, berufen; Nr. 3 (a) regelt Beförderungsbeschränkungen für Pakete mit Gütern insb. von "außergewöhnlich hohem Wert"; (e) ergänzt diese Regelung dahin, dass ausgeschlossene Güter vom Versender nur übergeben werden dürfen, wenn die Beklagte der jeweiligen Beförderung vorher zugestimmt hat. Nr. 9.2. begrenzt ihre Haftung für Deutschland für Verlust oder Beschädigung auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal 510 Euro pro Sendung oder 8.33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Sie hat die Auffassung vertreten, sie treffe kein qualifiziertes Organisationsverschulden. Hilfsweise sei der Geschädigten der Einwand des Mitverschuldens entgegenzuhalten, weil sie wertvolle Güter trotz Beförderungsausschlusses ohne Deklaration versandt habe.
Das AG hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint, das AG habe verkannt, dass die Regelung in Nr. 2 ihrer Beförderungsbedingungen nicht der AGB-Kontrolle unterliege, denn diese beschreibe nur die dem Versender gebotenen drei verschiedenen Leistungsarten "Standard; Wertpaket; Express". Auf dieser Grundlage habe die Versenderin selbst ausdrücklich die Massenbeförderung ohne Kontrolle des Transportweges (die Standortbeförderung) gewählt und erhalten. § 449 HGB stehe nicht entgegen, denn für briefähnliche Sendungen des postalischen Massenverkehrs könne von den "Kardinalpflichten" des Frachtvertrages abgewichen werden; zudem liege sogar ein individuelles "Aushandeln" vor, weil der Versenderin die freie Wahl zwischen den gebotenen Beförderungsstandards "Standard" und "Wertpaket" überlassen gewesen sei. Die vom AG herangezogene obergerichtliche Rechtsprechung, wonach die gesetzlichen, durch die Rechtsprechung ausgestalteten Sorgfaltsanforderungen auch für Massenbeförderungen gelten, sei nicht einschlägig, denn die im vorliegenden Falle maßgeblichen "neuen" Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten statuierten einen eindeutigen Verzicht des Versenders nicht nur auf die Dokumentation vorgenommener Kontrollen, sondern auch auf die Kontrollen selbst. Entgegen der Auffassung des AG seien Telefoncashkarten zudem Wertgegenstände, die die Beklagte gerade von der Beförderung ausgeschlossen habe. Jedenfalls sei aber ihre Haftungsbegrenzung gem. Nr. 9.2 der Beförderungsbedingungen zu beachten; wer in Kenntnis dessen dennoch höherwertige Güter ohne Wertangabe (Nr. 9.4 der AGB) versende, könne im Schadensfalle auch nicht mehr als die Haftungshöchstsumme nach Nr. 9.2 beanspruchen. Dass die Versenderin es unterlassen habe, den Wert ihrer Sendung anzugeben, stelle sich darüber hinaus auch als Obliegenheitsverletzung dar. Sie behauptet, die Versenderin habe - wie der gesamte Markt - gewusst, welche Sorgfaltsmaßnahmen die Beklagte nur anwende, um einen günstigen Preis bieten zu können, und meint, die Gerichte dürften die Sorgfaltsanforderungen auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht so hoch ansetzen, dass dies die Freiheit der Berufswahl und -ausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) verletze, denn die Massenbeförderung von Warensendungen zu Briefbedingungen müsse möglich bleiben.
Sie meint ferner, auch die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils sei fehlerhaft, denn der vernommene Zeuge H. habe an die Versendung des "streitgegenständlichen" Pakets keine Erinnerung mehr gehabt. Sie bestreitet darüber hinaus weiterhin den behaupteten Wert der (angeblich) verloren gegangenen Telefonkarten.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils vom 22.1.2004 (AG Hanau, Urt. v. 22.1.2004 - 32 C 350/03-12) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sei verteidigt das angefochtene Urteil.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochten Urteil sowie auf die zwischen den Pa...