Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Klage auf Zahlung des Saldos aus einer Schlussrechnung nach VOB/B ist ein Grundurteil, ggf. in Verbindung mit einem Teilurteil, schon dann zulässig, wenn so viele Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, dass feststeht, dass der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgend einer Höhe besteht. Dann muss nicht bezüglich jeder einzelnen Rechnungsposition der Anspruchsgrund vor Erlass eines Grundurteils festgestellt werden (Abweichung zu BGH, Urt. v. 9.11.2006 - VII ZR 151/05, BauR 2007, 429) (Ziff. II 1.)
2. Eine Zahlungseinstellung und damit ein Kündigungsgrund nach § 8 Nr. 2 VOB/B liegt nicht vor, wenn die Generalunternehmerin keine Abschlagszahlung an sich verlangt, sondern den Bauherrn veranlasst, Abschlagszahlungen direkt an ihre Subunternehmer auszuzahlen, so dass mit der Zahlung gleichzeitig die Verbindlichkeit des Bauherrn gegenüber der Generalunternehmerin und deren Zahlungspflichten gegenüber den Subunternehmern erfüllt werden. (Ziff. II. 5a) aa))
3. Wird im Kündigungsschreiben die Auftragsentziehung auf einen bestimmten Kün-digungsgrund gestützt, sind nachgeschobene Kündigungsgründe erst dann zu be-rücksichtigen, wenn sie gegenüber dem Vertragspartner offengelegt sind und sich der Kündigende darauf berufen hat (§§ 8 Nr. 3 Abs. 1, Nr. 5 VOB/B; Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 25.3.1993 - X ZR 17/92, NJW 1993, 1972 = BauR 1993, 469). (Ziff. II 5b) und c))
4. Eine Werklohnforderung wird dann fällig, wenn die in der Frist von zwei Monaten nach Zugang der Schlussrechnung erhobene Rüge unberechtigt ist und ein anderer, berechtigter Fehler nicht rechtzeitig gerügt wurde, auch wenn die Schlussrechnung im Prozess unstreitig ursprünglich nicht prüffähig war (vgl. BGHZ 157, 118). (Ziff. II. 7. b))
5. Hat der Unternehmer irrtümlich in einer Position eine Überkalkulation vorgenommen, darf er den dadurch entstehenden zusätzlichen Gewinn bei der Abrechnung des gekündigten Detail-Pauschalvertrags nach §§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B, 649 S. 2 BGB gleichmäßig auf alle Leistungspositionen verteilen. (Ziff. II 6a) bb))
6. Abschlagszahlungen dürfen nicht mit einzelnen Rechnungsposten der Schluss-rechnung verrechnet werden, sondern nur mit der sich aus der Schlussrechnung er-gebenden Gesamtforderung. (Ziff. II. 8.)
Normenkette
ZPO §§ 304, 301 Abs. 1 S. 2; VOB/B § 8 Nr. 2; InsO § 17 Abs. 2; VOB/B (1998) § 8 Nr. 3 Abs. 1, Nr. 5, § 16 Nr. 3 Abs. 1, § 8 Nr. 1 Abs. 2; BGB § 649 S. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 18 O 552/04) |
Tenor
1. Der Klagantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger einen Teilbetrag von 1.252.749,64 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 20.10.2000 zu zahlen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.555.219,42 EUR
Gründe
I. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. AG Restwerklohn aus einem gekündigten Generalunternehmervertrag, dem die VOB/B zugrunde gelegt wurde.
Die H. Bauaktiengesellschaft Süd schloss am 17.8.1998 mit der Beklagten 1 am 17.8.1998 einen Generalunternehmervertrag über die Bebauung des S.-Areals in Schwäbisch Gmünd. Für die schlüsselfertige Erstellung des zu errichtenden Einkaufszentrums vereinbarten die Parteien des Werkvertrags einen Pauschalpreis von 26.700.000,- DM netto zzgl. 300.000,- DM netto für eine einzubauende Kühlung, insgesamt einen Pauschalwerklohn von 27.000.000,- DM netto ("kleine Baulösung"). Für die sog. "große Baulösung", die zusätzlich die Bebauung der Häuserzeile X vorsah und deren Ausführung vorbehaltlich der Erteilung einer Baugenehmigung beauftragt wurde, wurde ein weiterer pauschaler Festpreis i.H.v. 4.500.000,- DM netto vereinbart. Das sich aus dem vereinbarten Skonto von 3,4 % sich ergebende Skontobetrag war in den Pauschalpreisen bereits berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 23.11.1999 kündigte die Beklagte 1 gemäß 8 Nr. 2 VOB/B fristlos den Generalunternehmervertrag unter Hinweis auf die Zahlungseinstellung der Firma H. (AG). Die H. Bauaktiengesellschaft Süd war eine Tochter dieser H. AG, mit der ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag bestand. Der Insolvenzantrag im Hinblick auf die Konzernmutter H. AG wurde kurze Zeit nach Antragstellung im Jahre 1999 wieder zurückgezogen. Durch Beschluss der Hauptversammlung der H. Bauaktiengesellschaft Süd und Verschmelzungsvertrag vom gleichen Tag wurde deren Vermögen als Ganzes auf die H. AG übertragen. Mit Beschluss des AG Frankfurt vom 1.6.2002 wurde über das Vermögen der H. AG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Die bis zur Kündigung erbrachten Leis...