Leitsatz (amtlich)
Die nur mit einem Antwortfeld für "Ja" oder "Nein" verbundene Frage "Nahmen oder nehmen Sie Drogen, Betäubungs- oder Rauschmittel? Wurden oder werden Sie wegen der Folgen von Alkoholgenuss beraten oder behandelt?" in einem Fragebogen zu einem Antrag auf Beschluss einer Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist nicht hinreichend verständlich, wenn sie vom Versicherungsvertreter dem Interessenten lediglich vorgelesen wurde und diese Frage direkt nach mehreren ineinander verschachtelten Fragen nach Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen in den letzten fünf Jahren und nach der Frage, warum untersucht, beraten oder behandelt worden sei, gestellt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Vertreter den Fragebogen anhand der Antworten des Interessenten ausfüllt und diesem sodann zur Unterschrift ohne ausdrückliche Auffoderung, den Fragenkatalog nochmals durchzulesen und die Antworten zu überprüfen, vorlegt.
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 26.05.2006; Aktenzeichen 3 O 477/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Ulm vom 26.5.2006 abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus dem unter bestehenden Rentenversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeitsvorsorge für die Monate September 2005 bis August 2006 je einschließlich rückständige Rente i.H.v. 15.147,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.786,90 EUR seit 1.12.2005 und aus weiteren 11.306.07 EUR seit 30.8.2006 sowie weitere 2.928,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.12.2005 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aufgrund des unter bestehenden Rentenversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeitsvorsorge ab September 2006 jeweils zum Ersten eines Monats im Voraus eine monatliche Unterhaltsrente von 1.262,30 EUR nebst vereinbarter Dynamisierung zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die bezüglich des unter der bestehenden Rentenversicherungsvertrags mit Berufsunfähigkeitsvorsorge vorzunehmende Dynamisierung zu erteilen.
4. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für Klage und Widerklage im Berufungsrechtszug: bis zu 130.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht Ansprüche aus einer mit der Beklagten abgeschlossenen Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend. Die Beklagte begehrt widerklagend die Rückzahlung von Leistungen, die sie dem Kläger aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erbracht hat.
Bezüglich des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG Ulm vom 26.5.2006 Bezug genommen.
Bezüglich des Wortlauts und der optischen Gestaltung des von der Beklagten verwendeten Formulars "Antrag auf Rentenversicherung", das der Kläger am 17.6.1999 am Ende eines Beratungsgesprächs mit dem Zeugen unterzeichnet hat, wird auf die Anlage K 1, Bl. 12 - 15 d.A., Bezug genommen.
Der Kläger und der Zeuge hatten sich während dieses Gesprächs - was zwischen den Parteien unstreitig ist - geduzt. Einzelheiten des Gangs dieses Gesprächs, insbesondere des Abarbeitens des Formulars, sind zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger zog sich am 18.10.2000 bei einem Arbeitsunfall eine Schulterverletzung zu. Die Beklagte erbrachte für den Zeitraum vom 1.5.2001 bis zum 30.9.2005 Versicherungsleistungen wegen Berufsunfähigkeit i.H.v. insgesamt 65.981,10 EUR. Mit Schreiben vom 5.10.2005 focht sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an und forderte die Rückzahlung des o.g. Betrages; der Kläger habe seinen bis Mitte der 1990er-Jahre praktizierten Marihuanakonsum sowie wiederholte Sprungekenksverletzungen und eine Verletzung am rechten Handgelenk arglistig verschwiegen; auch insoweit wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger hält die Anfechtung für unwirksam, da er nicht arglistig getäuscht habe. Er habe den Zeugen über den Drogenkonsum informiert; dieser habe, weil weit zurückliegend, die Angaben für unbeachtlich gehalten. Der Zeuge habe ihn auch nur danach gefragt, ob er "Drogen nehme", was er - der Kläger - wahrheitsgemäß verneint habe. Nach Drogenkonsum in der Vergangenheit sei er vom Zeugen nicht gefragt worden. Die Handverletzung habe er dem Zeugen mitgeteilt. Die Sprunggelenksverletzung sei sehr alt und liege außerhalb des erfragten Zeitraums.
Mit der Klage hat der Kläger Zahlung rückständiger Berufsunfähigkeitsrente ab September 2005 sowie künftige Rentenzahlung i.H.v. monatlich 1.262,30 EUR geltend gemacht, zudem nicht anrechenbare vorprozessuale Anwaltskosten i.H.v. 2.928,13 EUR.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass ein Regressa...