Leitsatz (amtlich)
1. Unterhaltsbefristung nach 37-jähriger Ehe
2. Zum Vermögenseinsatz von Auslandsimmobilien
Normenkette
BGB §§ 1572, 1573 Abs. 1, §§ 1577, 1578b
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 19.04.2011; Aktenzeichen 27 F 1154/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Stuttgart vom 19.4.2011 - 27 F 1154/09 - in dessen Ziff. 3 dahin abgeändert, dass der i.H.v. monatlich 565 EUR zugesprochene Ehegattenunterhalt
a) der Antragsgegnerin erst mit Wirkung ab dem 1.11.2011 zusteht
b) auf den Ablauf des Monats Juli 2019 befristet wird.
Im Übrigen werden die Beschwerde und der weitergehende Folgesachenantrag zurückgewiesen.
2. Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Entscheidung ist sofort wirksam.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
5. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt. Der Antragsgegnerin wird auferlegt, auf die Verfahrenskosten monatliche Raten i.H.v. 95 EUR zu zahlen.
Beschwerdewert: 6.780 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten waren Eheleute. Sie stammen aus der Türkei und sind seit dem Jahre 1996 deutsche Staatsangehörige. Aus der im Jahre 1972 geschlossenen Ehe sind vier inzwischen erwachsene Kinder hervorgegangen. Spätestens im Oktober 2008 haben sich die Eheleute getrennt. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Familiengericht die Ehe geschieden - insoweit rechtskräftig seit 16.8.2011 - und der Ehefrau nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 565 EUR zugesprochen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Ehemannes, der einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau verneint, hilfsweise Befristung erstrebt. Die Frau verteidigt die familiengerichtliche Entscheidung.
Der Ehemann, geboren am 20.11.1955, ist gelernter Schlosser (Schweißer) und war seit 1978 bei der - in der Folgezeit dahin umfirmierten - Fa ... beschäftigt. Mit dreiseitigem Vertrag vom 17.11.2008 wurde er in ein (auf den Ablauf des 31.1.2010) befristetes Arbeitsverhältnis mit einer Auffanggesellschaft ... übernommen. In diesem Vertrag ist ferner geregelt, dass er für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung i.H.v. brutto 100.725,06 EUR sowie durch die Fa ... ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 3.419,14 EUR erhält. Nach kurzzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld ist er seit dem Frühjahr 2010 mit einer Mietwerkstatt selbständig erwerbstätig. Infolge zweier Darmoperationen ist ihm seit August 2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 % zuerkannt.
Die Ehefrau ist am 10.7.1954 geboren. Eine vormals als Küchenhilfe ausgeübte Arbeitstätigkeit hat sie im Jahre 1998 aufgegeben. Derzeit erhält sie laufende Leistungen nach dem SGB II.
In der angefochtenen Entscheidung ging das Familiengericht von vormaligen Einkünften i.H.v. monatsdurchschnittlich netto rund 1.900 EUR aus, die der Antragsteller unstreitig bei der ... erzielt hat. Erwerbsbemühungen seien nach Beendigung des mit dieser Auffanggesellschaft bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht erkennbar. Der Ehefrau hat es keine fiktiven Einkünfte zugerechnet, auf ihrer Seite etwa vorhandenes Vermögen unberücksichtigt gelassen und schließlich eine Unterhaltsbefristung abgelehnt, weil der Ehemann die Voraussetzungen des § 1578b BGB nicht substantiiert vorgetragen habe.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, durch seine selbständige Erwerbstätigkeit derzeit nur über Negativeinkünfte zu verfügen. Die ihm ( i.H.v. netto 71.891,91 EUR) zugeflossene Abfindung habe er verbraucht, um ehebedingte Schulden zurückzuführen und seine Existenzgründung zu finanzieren. Vor allem aber sei die Ehefrau nicht als bedürftig anzusehen. Sie könne arbeiten, krankheitsbedingte Erwerbseinschränkungen würden bestritten. Verfüge sie derzeit über keine hinreichenden Deutschkenntnisse, sei das ihr selbst zuzuschreiben. Außerdem sei sie Eigentümerin mehrerer Immobilien in der Türkei (gewesen), einer vormaligen Ferienwohnung der Ehegatten in S., zweier Bauplätze sowie eines vermieteten Ladens in S.. Außerdem habe sie ihre Miteigentumshälfte an der vormaligen Ehewohnung in S.-B. auf den Sohn E. übertragen. Zur Finanzierung ihres Unterhalts habe sie ihr Vermögen einzusetzen. Jedenfalls könne sie Miete vereinnahmen und lebe auch mietfrei. Soweit sie Vermögen weggegeben habe, könne sie sich darauf nicht berufen. Zugleich sei durch derartige Handlungen der Unterhalt verwirkt. Das ergebe sich auch daraus, dass am 2.8.2008 eine Unterschrift des Antragstellers gefälscht worden sei, um hierdurch unberechtigt Geld von seinem Konto abzuheben. Das sei allerdings gescheitert.
Der Antragsteller beantragt:
Der Beschluss des AG, Familiengericht, Stuttgart vom 19.4.2011 zu Aktenzeichen 27 F 1154/09 wird bezüglich Ziff. 3 des Beschlusses abgeändert: Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichen Ehegattenunterhalt wird zurückgewiesen.
hilfsweise
ist der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gem. § 1578b BGB zeitlich zu bef...