Leitsatz (amtlich)
1. Der Erlass eines Teilurteils, mit dem über einen mit der Widerklage geltend gemachten Unterlassungsanspruch des Beklagten wegen des Vorhaltens und der Verwertung von in strafbarer Weise erlangten Geschäftsinformationen entschieden wird, ist unzulässig, wenn der Kläger diese Geschäftsinformationen zur Begründung seines mit der Klage verfolgten Schadensersatzanspruchs in das Verfahren einführt.
2. Zu den Voraussetzungen der Datenhehlerei nach § 202d StGB und des Verrats von Geschäftsgeheimnissen gem. § 17 UWG.
Normenkette
StGB § 202d; UWG § 17; ZPO § 301
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 10.01.2018; Aktenzeichen 42 O 8/17 KfH) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten Ziff. 1 wird das Teilurteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.01.2018 - 42 O 8/17 KfH - einschließlich des Verfahrens
aufgehoben
und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Stuttgart
zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem erstinstanzlichen Gericht vorbehalten.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 300.000,00 Euro
Gründe
A Die Parteien machen wechselseitig Ansprüche wegen Verletzung von Betriebsgeheimnissen geltend. Mit der Widerklage, die mit der Berufung weiterverfolgt wird, verlangt die Beklagte Ziff. 1, das Vorhalten, Verwerten und Mitteilen von Geschäftsinformationen zu unterlassen.
1. Beide Parteien stehen im Wettbewerb zueinander und handeln mit medizinischen Verbrauchsmaterialien, wie etwa Einwegkitteln, Hautschutzmitteln und Urinbeuteln. Dabei handelt es sich um Produkte, die ungeschützten Originalprodukten nachempfunden sind. Die Parteien wenden sich an denselben Absatzmarkt, insbesondere an Einkaufsgemeinschaften für Krankenhäuser. Die Klägerin besteht seit mehr als (...) Jahren. Der Beklagte Ziff. 2 war von (...) bis Herbst 2016 Geschäftsführer der Klägerin. Die Beklagte Ziff. 1 wurde im Jahr (...) gegründet.
Mit ihrer noch in erster Instanz anhängigen Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten Auskunft und Schadensersatz. Zur Begründung trägt sie vor, der Beklagte Ziff. 2 habe während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin zusammen mit dem damaligen Vertriebsleiter der Klägerin, Herrn B., den Geschäftsbetrieb der Beklagten Ziff. 1 aufgebaut. Die Beklagte Ziff. 1 soll den Beklagten Ziff. 2 als faktischen Geschäftsführer angestellt haben. Er soll unter anderem wichtige Verträge verhandelt, Einkaufskonditionen festgelegt und den Zahlungsverkehr organisiert haben sowie Ansprechpartner für Kreditinstitute und Steuerberater gewesen sein. Herr B. soll unter Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot bei der Beklagten Ziff. 1 dieselben Aufgaben wie bei der Klägerin wahrgenommen haben.
Die Klägerin wirft dem Beklagten Ziff. 2 weiter vor, dieser habe ihre Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (Preisinformationen, Ausschreibungsunterlagen, Kundenlisten, Lagerbestände) gezielt dazu benutzt, um sie aus dem Wettbewerb zu drängen. Ihre Preise sollen geringfügig unterboten worden sein, um Kunden abzuwerben.
Die Klägerin trägt vor, sie habe von den behaupteten Tätigkeiten ihres Geschäftsführers und ihres Vertriebsleiters durch die benannte Zeugin R. erfahren, deren Stellung im Unternehmen von den Parteien unterschiedlich dargestellt wird. Nach dem Klägervortrag soll der Beklagte Ziff. 2 sie auch mit Tätigkeiten zugunsten der Beklagten Ziff. 1 betraut haben.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hat die Klägerin eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit ihren Prozessbevollmächtigten zusammenarbeitet, mit der Sachverhaltsaufklärung beauftragt. Dabei wurden Gespräche mit Mitarbeitern geführt, Schriftverkehr ausgewertet, Bestellungen analysiert und Daten im Computersystem der Klägerin gesichert. Auch wurden - und dies bildet den Gegenstand der Widerklage und der Berufung - ein Aktenordner, eine Festplatte und eine CD mit Daten der Beklagten Ziff. 1 ausgewertet. Für ihre Tätigkeiten stellte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der Klägerin 662.885,41 Euro in Rechnung.
Die Beklagten bestreiten die Vorwürfe. Beide Unternehmen hätten relativ geringe Marktanteile und zur Ergänzung des Sortiments kooperiert. In diesem Rahmen seien Geschäfts- und Marktdaten ausgetauscht worden. Die Beklagte Ziff. 1 habe den Beklagten Ziff. 2 nicht als Geschäftsführer angestellt.
Mit seiner ebenfalls noch in erster Instanz anhängigen Widerklage verlangt der Beklagte Ziff. 2 Zahlung ausstehender Vergütung sowie die Abrechnung und Auszahlung eines Bonusses.
2. Ausschließlicher Gegenstand der Berufung der Beklagten Ziff. 1 ist deren Widerklage auf Untersagung, Informationen aus einer Festplatte, einer CD und einem Aktenordner zu verwerten und anderen mitzuteilen.
Im Oktober 2016 hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einen Aktenordner und eine Festplatte mit E-Mails und Daten der Beklagten Ziff. 1 erhalten, Ende April 2017 eine weitere CD mit Daten. Die Klägerin hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, diese Daten im Terrabyte-Umfang auszuwerten, u.a. E-Mails und die Debitorenliste. Die Wirtschaftsprüfungsges...