Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifiziertes Verschulden des Verfrachters beim Seetransport
Leitsatz (amtlich)
Nur ein qualifiziertes Verschulden des Verfrachters selbst führt zum Wegfall der Haftungsbeschränkung nach § 660 I HGB. Der Anspruchsteller hat auch im Rahmen des § 660 III HGB Anhaltspunkte für das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens darzulegen. Allein aus dem Umstand, dass der Schadenshergang im Dunkeln liegt und die Beklagte nichts zum Schadenshergang oder zu Sicherheitsvorkehrungen vorträgt, kann auf solches nicht geschlossen werden, da auch Schadensursachen in Betracht kommen, für die der Verfrachter nicht unbeschränkt gem. § 660 III HGB einzustehen hat.
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 26.06.2009; Aktenzeichen 11 O 109/07 KfH) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des LG Ulm vom 26.6.2009 - 11 O 109/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.461,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.3.2007 zu bezahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 87 % und die Beklagte 13 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 19.000 EUR
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz aus einem Transportvertrag wegen Verlustes von drei Paletten Neusilberdraht, die von der Beklagten von Hamburg nach Hongkong zum Empfänger der Sendung, der Firma O. Ltd., verbracht werden sollten.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil vom 26.6.2009 Bezug genommen.
Durch dieses Urteil wurde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 18.776,16 EUR nebst Zinsen verurteilt. Der Ersatzanspruch beruhe auf §§ 660 Abs. 1, 3 HGB, 67 VVG (a.F.). Die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Firma W. AG, habe die Beklagte zu festen Kosten mit dem Transport der Sendung beauftragt. Dieser Auftrag sei hinreichend durch den Dispositionsbeleg vom 18.9.2006 und die Exportrechnung der Beklagten vom 20.9.2006 belegt. Das Bestreiten der Beklagten sei insoweit ohne Substanz. Die Klägerin habe nachgewiesen, dass die Streitverkündete die beauftragte Sendung übernommen und somit Gewahrsam hieran erlangt habe. Aus dem Hafendatensatz und der Übernahmebestätigung der Streithelferin sowie dem Containerladeplan ergebe sich dies mit hinreichender Sicherheit. Die Anzahl der Paletten und das Gewicht stimme mit dem Dispositionsbeleg und dem Lieferschein überein. Dass die Höhenmaße unterschiedlich angegeben seien, begründe keinen Zweifel daran, dass es sich um die identische Sendung handle, zumal keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich seien, dass zum gleichen Zeitpunkt eine weitere vergleichbare Sendung durch die Streithelferin angenommen worden sei. Allein die theoretische Möglichkeit reiche nicht, um Zweifel zu wecken. Die Sendung sei verlustig gegangen. Dies ergebe sich aus dem Outturn-Report. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Sendung dennoch dem Container entnommen worden sei. Schließlich hätten die Beklagten und die Streithelferin nicht ansatzweise dargelegt, welche Maßnahmen sie unternommen haben, um den Verlust der Sendung zu verhindern. Das qualifizierte Verschulden werde deshalb vermutet. Der Anspruch sei nicht verjährt. Die Höhe des der Klägerin zustehenden Schadensersatzes werde gem. § 287 ZPO auf 18.776,61 EUR geschätzt. Der Sachverständige W. habe im schriftlichen Gutachten vom 18.3.2009 überzeugend bestätigt, dass der von der Klägerin in der Pro-forma-Rechnung vom 18.9.2006 dargestellte Wert der Sendung nachvollziehbar sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die vom LG ausgesprochene Zahlungsverpflichtung angreift, soweit diese über den Gegenwert in Euro von 2.202 Sonderziehungsrechten hinausgeht. Die Beklagte könne sich auf die Haftungsbegrenzung des § 660 Abs. 1 HGB von 2 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm berufen. Das unstreitige Sendungsgewicht habe 1.101 kg betragen, so dass die Haftungsverantwortlichkeit der Beklagten auf den Gegenwert in Euro von 2.202 Sonderziehungsrechten beschränkt sei. Ein qualifiziertes Verschulden der Organe der Beklagten sei nicht festzustellen. Auf die Zurechnung des Verhaltens sonstiger Leute der Beklagten als Verfrachter, die im Zuge der Beförderung eingeschaltet worden seien, komme es nicht an, da § 607 Abs. 1 HGB bei der Beurteilung des § 660 Abs. 3 HGB keine Anwendung finde. Das LG führe in seinen Entscheidungsgründen als einzigen Ansatzpunkt für die Annahme eines qualifizierten Verschuldens lediglich aus, dass die Beklagte und die Streithelferin nicht dargelegt hätten, welche Maßnahmen sie unternommen haben, um den Verlust der Sendung zu verhindern. Weshalb...