Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsansprüche für Übernahme von Arbeitslosen als Leiharbeitnehmer/Vermittlung solcher Arbeitnehmer in reguläre Arbeitsverhältnisse

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 01.08.2008)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.06.2010; Aktenzeichen IX ZR 125/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Tübingen vom 1.8.2008 abgeändert;

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 244.320,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 125.081,14 EUR seit 29.2.2004, aus 8.178 EUR seit 2.3.2004, aus 106.015,71 EUR seit 31.3.2004, aus 696 EUR seit 1.4.2004, aus 3.654 EUR seit 31.1.2005 und aus 696 EUR seit 10.3.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen der Kläger 14 %, die Beklagte 86 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages, sofern nicht der Kläger Sicherheit i.H.v. 110 % der jeweils zu vollstreckenden Summe erbringt.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 282.948,85 EUR

Beschwer beider Parteien jeweils über 20.000 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger macht Vergütungsansprüche für die Übernahme von Arbeitslosen als Leiharbeitnehmer und für die Vermittlung solcher Arbeitnehmer in reguläre Arbeitsverhältnisse geltend.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter aufgrund Beschlusses des AG Hamburg vom 1.5.2004 über das Vermögen der ... Gesellschaft für Arbeitsvermittlung mbH (künftig: Schuldnerin). Die Schuldnerin hatte mit der Beklagten, diese vertreten durch das Arbeitsamt R. am 5./16.5.2003 drei gleich lautende Verträge für unterschiedliche Gruppen von Arbeitslosen geschlossen und sich darin verpflichtet, eine Personal Service Agentur (künftig: PSA) einzurichten, mit ihr von der Beklagten benannten Arbeitslosen sozialversicherungspflichtige und dem AÜG unterliegende Arbeitsverträge einzugehen, für sie Arbeitnehmerüberlassungsvereinbarungen mit regulären Arbeitgebern zu schließen und sie in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse im sog. ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Die Beklagte verpflichtete sich, der Schuldnerin für deren Tätigkeit für begrenzte Zeit ein Honorar zu bezahlen und zwar monatliche der Höhe nach degressiv gestaffelte Fallpauschalen und erfolgsbezogene Vermittlungsprämien in zwei Tranchen, von denen die zweite abhängig war von einer sechsmonatigen Dauer der Beschäftigung des vermittelten Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber.

Die Schuldnerin zahlte ab Januar 2004 keine Löhne mehr an ihre Leiharbeitnehmer und beantragte am 16.2.2004 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Beklagte widerrief am 16.2.2004 die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und kündigte die Verträge am 17.2.2004.

Die Schuldnerin und der Kläger erteilten noch bis 10.2.2005 Abrechnungen über angeblich noch geschuldete Fallpauschalen und Vermittlungsprämien i.H.v. insgesamt 282.948,85 EUR. Die Beklagte, die auf entsprechende vor Insolvenzeröffnung gestellte Anträge der Arbeitnehmer Insolvenzgeld i.H.v. 285.513,87 EUR gezahlt hat, verweigert jede weitere Zahlung an die Schuldnerin, weil diese im streitgegenständlichen Zeitraum die ihr als Hauptleistungspflicht vertraglich auferlegten Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer nicht erbracht habe und rechnet hilfsweise auf mit den übergegangenen Lohnansprüchen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die auf Zahlung von 282.948,85 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Honoraransprüche für die Zeit nach der wirksamen Kündigung vom 17.2.2004 bestünden nicht. Für den davor liegenden streitgegenständlichen Zeitraum ab Januar 2004 stehe fest, dass die Schuldnerin die ihr im Gegenzug obliegenden Zahlungspflichten nicht erfüllt habe und nicht mehr erfüllen werde. Vertraglich geschuldet habe die Schuldnerin nicht nur den formalen Abschluss von Arbeitsverträgen, sondern auch deren Vollzug. Selbst wenn die Zahlungspflichten der Beklagten, auch die Vermittlungsprämie stelle nur eine besondere Berechnungsweise des Honorars dar, nicht im Synallagma mit den von der Schuldnerin übernommenen Pflichten stünde, handle es sich doch um so wesentliche Leistungspflichten, dass die Anwendung des § 323 BGB berechtigt sei. Dahinstehen könne deshalb, ob die Aufrechnung der Beklagten berechtigt wäre. Dahinstehen könne auch, ob die Forderung der Höhe nach schlüssig dargetan sei.

Das Urteil wurde dem Kläger am 7.8.2008 zugestellt. Seine Berufung ging am 13.8.2008 bei Gericht ein und wurde am 6.10. 2008 mit einer Begründung versehen.

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger macht geltend:

Den Rechnungen über Fallpauschalen seien Übersichten beigefü...

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