Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 04.11.2020; Aktenzeichen 18 O 333/19)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.04.2024; Aktenzeichen VI ZR 223/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.11.2020, Az. 18 O 333/19, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, zu dem Versicherungsvertag Nr. ... der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, ob bei der Beklagten

a. folgende von der Klägerin der Beklagten gegenüber abgegebenen Erklärungen im Original, in Abschrift und/oder in einem Dateisystem gespeichert sind:

(aa) Kündigungsschreiben;

(bb) Rücktritte, Widersprüche und/oder Widerrufe des Vertrages;

(cc) Änderung und/oder Widerruf einer Bezugsberechtigung;

(dd) Abtretungserklärungen;

(ee) Verpfändungserklärungen;

(ff) Erklärungen über den Gesundheitszustand, soweit nicht im Antrag auf Abschluss der Versicherung enthalten;

(gg) Erklärungen in Bezug auf die Aufnahme eines Policendarlehens;

(hh) Erklärungen in Bezug auf Beitragsfreistellungen;

(ii) Anfragen zur Übermittlung des aktuellen Rückkaufswerts;

(jj) Erklärungen in Bezug auf Widersprüche gegen die dynamische Erhöhung der Beiträge;

(kk) Erklärungen in Bezug auf Vertragsänderungen;

(ll) Erklärungen in Bezug auf die Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses;

(mm) Erklärung in Bezug auf eine Wiederinkraftsetzung eines gekündigten Vertrages;

b. folgende von der Beklagten gegenüber der Klägerin oder gegenüber Dritten abgegebene Erklärungen im Original, in Abschrift und/oder in einem Dateisystem gespeichert sind:

(aa) Versicherungsschein;

(bb) Nachträge zum Versicherungsschein;

(cc) Anschreiben, mit dem der Versicherungsschein übersendet worden ist;

(dd) Kündigungsschreiben;

(ee) Zahlungserinnerung und/oder Mahnungen;

(ff) Abrechnungsschreiben nach Kündigung des Versicherungsvertrages;

(gg) Mitteilungen über den jeweils aktuellen Vertragsstand;

c. Buchungsdaten (Buchungsdatum, Buchungsbetrag, Verwendungszweck, Auftraggeber, Begünstigter) für jeden Zahlungseingang und Zahlungsausgang in Bezug auf den jeweiligen Versicherungsvertrag gespeichert sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 127,93 EUR zu bezahlen und diesen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 18.10.2019 zu verzinsen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Klägerin zugelassen.

Streitwert in beiden Instanzen: 2.000,00 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auskünfte, Abschriften von Erklärungen und Kopien von Daten aus einem Versicherungsvertrag. Zwischen den Parteien bestand ein Vertrag über eine im Jahr 2004 abgeschlossene fondsgebundene Rentenversicherung, die im Jahr 2016 gekündigt und im Jahr 2017 abgerechnet wurde. Die Beklagte scannt und archiviert Posteingänge, die im Einzelfall auch personenbezogene Daten enthalten, jedoch ohne Strukturierung, Texterkennung und zentrale Durchsuchungsfunktion/Auslesemöglichkeit im pdfA-1b Format. Am 03.04.2019 (Anlage K1) verlangte die Klägerin von der Beklagten Auskünfte gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO über gespeicherte personenbezogene Daten sowie Unterlagen zum Versicherungsvertrag. Am 08.04.2019 (Anlage K2) erteilt die Beklagte diverse Auskünfte und übersandte eine Kopie des Antrags. Mit Anwaltsschreiben vom 03.06.2019 verlangte die Klägerin erneut die angeforderten Daten bzw. Unterlagen.

Die Klägerin, die in erster Instanz wie im Berufungsverfahren beantragt hat, hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zur Auskunft und Herausgabe in Kopie der Dokumente, die personenbezogene Daten enthielten, verpflichtet. Auch nicht durchsuchbare PDF-Dateien stellten eine automatisierte Verarbeitung dar.

Die Beklagte, die in erster Instanz Klageabweisung beantragt hat, hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, da als Stufenklage unstatthaft, hinsichtlich der Buchungsdaten und der verlangten Erklärungen in Bezug auf Vertragsänderungen unbestimmt und insgesamt ohne Rechtsschutzbedürfnis, da es der Klage nicht um die Wahrnehmung datenschutzrechtlicher Belange gehe. Unter dem Deckmantel des Datenschutzes sollten alleine Informationen für ein § 5a-VVG a.F. Verfahren erlangt werden. Der Anspruch nach § 15 DSGVO sei - soweit er bestehe - mit Schreiben vom 08.04.2019 (Anlage K2) erfüllt worden. Welche personenbezogenen Daten der Klägerin im Sinne des Art. 2 Abs. 1 DSGVO verarbeiten würden, sei mitgeteilt worden. Eine weitergehende Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 DSGVO über die bereits mitgeteilten Daten hinaus fände nicht statt. Soweit Posteingänge, die im Einzelfall auch personenbezogene Daten enthielten, gescannt und im pdfA-1b Format ohne Strukturierung, Texterkennung und zentrale...

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