Leitsatz (amtlich)
›Setzt ein bereits zur Prüfung angemeldeter Fahrschüler die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs vor der Kreuzung mit einer Vorfahrtstraße, auf der sich ein von ihm wahrgenommener Bus nähert, zunächst deutlich herab, fährt er aber dann doch mit plötzlicher Beschleunigung so auf die bevorrechtigte Straße ein, daß auch eine unmittelbar eingeleitete Vollbremsung die Kollision nicht mehr verhindern kann, so trifft allein ihn und nicht den neben ihm sitzenden Fahrlehrer die Schuld an dem Unfall. Für den dem Fahrlehrer entstandenen Personenschaden samt der Folgeschäden hat in einem solchen Fall seine eigene Haftpflichtversicherung einzustehen.‹
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Entscheidung vom 22.05.1998) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 22.5.1998 in Ziff. 1 dahin abgeändert, daß die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger DM 50.000,- nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 13.2.1998 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 75.000,- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert der Berufung: DM 120.000,-
Wert der Beschwer für den Kläger: DM 30.000,-
Wert der Beschwer für die Beklagte: DM 90.000,-
Tatbestand
Mit der Klage werden Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom 22.12.1995 geltend gemacht.
Der Kläger ist (angestellter) Fahrlehrer. In dieser Funktion saß er zum Unfallzeitpunkt auf dem Beifahrersitz des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrschulwagens VW Golf, amtliches Kennzeichen ..., um dem Fahrschüler V E Unterricht zu erteilen. Dieser war bereits einmal - bei einer anderen Fahrschule - durch die Führerscheinprüfung gefallen und hatte bislang bereits 80 Fahrstunden absolviert. Diese Fahrt am 22.12.1995 sollte die letzte Unterrichtseinheit vor der nächsten, bereits angemeldeten Prüfung sein.
Der Fahrschulwagen hatte mit dem Fahrschüler am Steuer die L von W kommend in Richtung C befahren auf die dort querende, vorfahrtsberechtigte B 290 zu. Auf dieser Bundesstraße näherte sich von links ein von dem Zeugen R gelenkter Kraftomnibus mit dem amtlichen Kennzeichen .... Ohne dessen Vorfahrt zu achten, fuhr der Fahrschüler in die Kreuzung ein und kollidierte dort mit dem Kraftomnibus. Hierbei wurde der Fahrschüler getötet, der Kläger schwer verletzt.
Der Kläger ist der Auffassung, der Unfall sei allein durch ein schuldhaftes Fehlverhalten des Fahrschülers verursacht worden; ihm selbst könne weder eine unmittelbare Beteiligung an der Unfallverursachung vorgeworfen werden noch eine Überforderung des Fahrschülers bzw. mangelhafte Beaufsichtigung. Der Fahrschüler habe das Fahrzeug bei der Annäherung an die Kreuzung auf ungefähre Schrittgeschwindigkeit verlangsamt und bis zur Haltelinie nahezu zum Stillstand abgebremst, nachdem er vom Kläger auf den sich nähernden Bus hingewiesen worden sei und diesen Hinweis mit der Anmerkung kommentiert habe, daß er den Bus sehe. Völlig unerwartet habe er dann aber kurz vor der Einmündung Vollgas gegeben und hierdurch die Kollision herbeigeführt. Obwohl der Kläger selbst ständig in Bremsbereitschaft gewesen sei und auch sofort abgebremst habe, sei der Unfall nicht mehr zu vermeiden gewesen. Mit einem solchen Verhalten des Fahrschülers habe er nicht rechnen müssen, zumal dieser derartige Vorfahrtssituationen schon häufig problemlos gemeistert, insbesondere auch eben diese Kreuzung schon mehrfach befahren und, wie die Anmeldung zur nächsten Fahrprüfung zeige, auch einen weit fortgeschrittenen Ausbildungsstand gehabt habe.
Durch den Unfall habe er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten, eine Stirnplatzwunde, eine schwere Schulterprellung links mit Tossy III und Brustwirbelsäulensyndrom, eine HWS-Cervicobrachialgie, Lungenkontusion links mit Pleuraerguß und möglicher Rippenfraktur links, eine Verletzung des linken AC-Gelenks, Rückenmarksverletzung mit Vernarbung, verschiedene Prellungen, u.a. eine Bauchdeckenprellung. Bis 5.1.1996 habe er sich in stationärer Behandlung in zwei Krankenhäusern befunden, weitere stationäre Behandlungen seien in der Zeit vom 19.3. bis 17.4.1996 und vom 23.5. bis 31.5.1996 erfolgt, am 8.8.1996 sei ein weiterer operativer Eingriff (Abmeißelung einer vorstehenden Knochenkante) erfolgt.
Trotz dieser Behandlungen seien als Dauerschäden Gefühlsstörungen in den Beinen verblieben, Schmerzen in der linken Schulter und stark knackende Schultergeräusche bei weit ausholender Schulterbewegung links. Auch sei er nicht mehr in der Lage, den Kopf zügig zu wenden. Deshalb sei er auf Dauer nicht mehr in der Lage, in seinem bisherigen Beruf als Fahrlehrer tätig zu sein. Wegen dieser Unf...