Leitsatz (amtlich)
1. Der niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Arzt, der vom Patienten über die medizinische Notwendigkeit der Verschreibung eines Medikaments getäuscht wird, verfügt mit der irrtumsbedingten Ausstellung eines Kassenrezepts über das Vermögen der Krankenkasse. Dem Eintritt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bereits zu diesem Zeitpunkt und damit der Vollendung des durch den Patienten begangenen Betrugs steht weder fehlende Unmittelbarkeit zwischen der Täuschung und vermögensmindernder Verfügung noch fehelnde Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil auf Seiten des Täters und eingetertenem Vermögensschaden entgegen.
2. Die Beschreibung von Erwerbsvorgängen verschreibungspflichtiger Medikamente in der Anklageschrift alleine unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Betruges lässt vorbehaltlich der Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises auch die tateinheitliche Ahndung wegen unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken zu, soweit das Tatgericht Feststellungen zu einem Umsatzwillen des Angeklagten beim jeweiligen Erwerbsvorgang treffen kann.
3. Auch ein aus Rechtsgründen freisprechendes Urteil hat zunächst tatsächliche Feststellungen zu treffen, damit das Revisionsgericht die Überlegungen des Tatgerichts überprüfen kann. Hierauf kann nur dann verzichtet werden, wenn das dem Angeklagten vorgeworfene Handeln unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt strafbar sein kann.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 25.06.2012; Aktenzeichen 34 Ns 220 Js 102310/11) |
StA Stuttgart (Aktenzeichen 220 Js 102310/11) |
AG Stuttgart (Aktenzeichen 33 Ds 220 Js 102310/11) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Stuttgart
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z u r ü c k v e r w i e s e n . |
Gründe
I.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 27. Dezember 2011 war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, er habe sich innerhalb eines Zeitraums von weniger als drei Wochen in elf Fällen des Betrugs strafbar gemacht, indem er sich unter Vortäuschung eines nicht vorhandenen Medikamentenbedarfs zu elf verschiedenen Gelegenheiten bei mehreren Kassenärzten Rezepte über das schmerzstillende Medikament Lyrica verschafft habe, wodurch der AOK Baden-Württemberg ein Gesamtschaden in Höhe von 2.764,25 EUR entstanden sei.
Mit Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 21. März 2012 wurde der Angeklagte des Betruges in elf "tatmehrheitlichen" Fällen schuldig gesprochen und zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, Strafaussetzung zur Bewährung wurde versagt.
Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hob das Landgericht Stuttgart mit dem angefochtenen Urteil vom 25. Juni 2012 das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach den Angeklagten aus Rechtsgründen mit der Erwägung frei, dass es für den Tatbestand des Betruges zum Nachteil der Krankenkasse an der Unmittelbarkeit zwischen Vermögensverfügung des Kassenarztes und Vermögensschaden der Krankenkasse fehle, da der Angeklagte als wesentlichen weiteren Zwischenschritt noch die Einlösung der erlangten Rezepte bei der jeweiligen Apotheke habe vornehmen müssen. An der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sah sich das Landgericht wegen vermeintlich fehlender prozessualer Tatidentität gehindert.
Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision begehrt die Generalstaatsanwaltschaft die Aufhebung des angefochtenen Urteils.
II.
Das Urteil unterliegt der Aufhebung, es hält in sachlich-rechtlicher Hinsicht nicht den Anforderungen stand, die an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO bestimmt, dass die Urteilsgründe ergeben müssen, ob ein Freispruch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolgt. Im Anschluss an die Darlegung, welcher Anklagevorwurf dem einzelnen Angeklagten gemacht wird, sind in einem Strafurteil auch bei einem Freispruch aus Rechtsgründen tatsächliche Feststellungen zu treffen (BGH NStZ-RR 1997, 374; LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 267 RN 152; KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 267 RN 42; Graf, StPO, § 267 RN 52; HK-Julius, StPO, 4. Aufl., § 267 RN 30). Allenfalls dann, wenn ein dem Angeklagten vorgeworfenes Handeln mit Sicherheit straflos ist, kann hierauf verzichtet werden. Das ist vorliegend nicht der Fall.
1.
Betrug zum Nachteil der AOK Baden-Württemberg
a)
Rechtlich zutreffend geht das Landgericht - den angeklagten Sachverhalt als bestätigt zugrundegelegt - zunächst davon aus, dass die als Kassenärzte zugelassenen Vertragsärzte vom Angeklagten über die medizinische Indikation zur Verschreibung der begehrten Medikamente getäuscht worden seien, einem entsprechenden Irrtum unterlagen und täuschungsbedingt eine Vermögensverfügung trafen, die in der Ausst...