Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Frage eines optischen Mangels eines Werks durch Lichtbilder und/oder die technische Begutachtung eines Sachverständigen nicht ausreichend aufzuklären. ist das Gericht gehalten, einen Augenschein einzunehmen. (Abgrenzung zu OLG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2008 - 10 U 4/06, BauR 2009, 1926 juris Rz. 26).
2. Eine ausdrückliche Erklärung des Bestellers, das Werks sei nicht abnahmefähig, schließt eine anschließende konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme aus, wenn zwischen Mängelrüge und Ingebrauchnahme nicht nachgebessert wurde.
3. Eine Selbstvornahme liegt nicht vor, wenn der Besteller nur nachteilige Auswirkungen eines Baumangels auf die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes, an dem die Bauleistungen erbracht werden, beseitigt, ohne den vom Unternehmer geschuldeten Erfolg zu bewirken. In einem solchen Fall bleibt der Unternehmer bis zur Mängelbeseitigung verpflichtet, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben
Normenkette
ZPO § 371; BGB § 640 Abs. 1, § 637; VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 26.08.2010; Aktenzeichen 35 O 120/08 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 26.8.2010 - 35 O 120/08 KfH, abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte EUR 20.000 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.12.2008 zu zahlen.
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 40.377,77 EUR
Gründe
I. Die Klägerin begehrt restlichen Werklohn für den Einbau eines Industrie-Estrichbodens in einem von dem Beklagten gemieteten Ladengeschäft in der E. straße in Stuttgart, während die Beklagte mit ihrer Widerklage die Rückerstattung einer Abschlagszahlung i.H.v. 20.000,- EUR und hilfsweise Kostenerstattung für die Beschichtung des Estrichbodens i.H.v. 14.941,35 EUR geltend macht.
Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Stuttgart vom 26.8.2010 - 35 O 120/08 KfH, verwiesen.
Mit diesem Urteil hat das LG der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zwischen den Parteien sei ein Werkvertrag über die Anbringung eines Industriefußbodensystems KOTA-Ferrox unter Geltung der VOB/B zustande gekommen. Die Oberfläche des Fußbodens habe optisch entsprechend dem im Restaurant "I." eingebrachten Fußboden wirken sollen. Die Klägerin habe die angebotenen Leistungen ausgeführt. Der von der Klägerin beanspruchte Restwerklohn sei fällig. Zwar habe eine Abnahme des Werks der Klägerin nicht stattgefunden. Das Werk der Klägerin sei jedoch abnahmefähig. Der eingebaute Industriefußboden KOTA-Ferrox sei zur Aufbringung auf Gussasphalt geeignet. Im Hinblick auf die übrigen gerügten Mängel könne dahingestellt bleiben, ob das Werk der Klägerin abnahmefähig sei. Die Beklagte könne sich insoweit auf eine fehlende Abnahmefähigkeit nicht berufen, weil sie durch die Ersatzvornahme des von ihr beauftragten Drittunternehmers die Herstellung eines abnahmefähigen Werkes vereitelt habe. Zwar habe die Klägerin ernsthaft und endgültig weitere Nachbesserung verweigert, als der Zeuge U. mitgeteilt habe, die Klägerin "könne nichts mehr machen". Dadurch sei eine Fristsetzung zur Beseitigung des Mangels und die Androhung des Auftragsentzugs entbehrlich gewesen. Nicht entbehrlich sei jedoch die Auftragsentziehung. Etwaige Gewährleistungsansprüche könnten nicht berücksichtigt werden. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass infolge der Nachbesserungsarbeiten der Klägerin Stahlfasern aus dem Estrich herausgestanden hätten.
Im Hinblick auf das optische Erscheinungsbild liege ein Mangel vor, weil der eingebrachte Estrich optisch nicht dem Estrich im Restaurant "I." entspreche. Die Nachbesserung sei ernsthaft und endgültig verweigert worden. Die Kosten für die von der Beklagten veranlassten Nachbesserungsarbeiten eines Drittunternehmers könnten jedoch nicht verlangt werden, weil diese Nachbesserung nicht dazu geführt habe, dass das Erscheinungsbild des Bodens demjenigen im Restaurant "I." entspreche. Im Übrigen habe sich die Beklagte die Geltendmachung der Kosten für die Beschichtung lediglich vorbehalten.
Die Rissbildung des Zementestrichs stelle einen Mangel dar. Insoweit habe sich die Beklagte die Geltendmachung von Aufwendungen lediglich vorbehalten.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Klagabweisung und im Rahmen der Widerklage eine Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 20.000,- EUR weiter verfolgt. Das LG habe unberücksichtigt g...