Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung von inhaltlichen Einschränkungen bezüglich der Ausübung einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht).
2. Hat der Berechtigte einer Grunddienstbarkeit den Überbau wegen grober Fahrlässigkeit bei der Errichtung des Überbaus nach §§ 1027, 1004 BGB i.V.m. § 12 I BGB nicht zu dulden, kann dennoch dem Anspruch auf Beseitigung ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 II BGB entgegenstehen, sofern die gebotene Abwägung der speziellen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die Beseitigung die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten würde.
Normenkette
BGB § 275 Abs. 2, §§ 912, 1004, 1027
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 09.09.2008; Aktenzeichen 2 O 191/08 We) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Heilbronn vom 9.9.2008 - 2 O 191/08 We - wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten/Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert in beiden Instanzen wird auf 100.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger begehren von den Beklagten die Entfernung eines Gebäudeteils, der im Bereich einer zugunsten des Grundstücks der Kläger bestellten Grunddienstbarkeit errichtet wurde, die Entfernung von Metallgittern und die Auffüllung des Geländes.
1. Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
Ein Anspruch nach § 1027 BGB i.V.m. § 1004 BGB bestehe nicht. Das den Klägern eingeräumte Geh- und Fahrrecht auf der vom Lebensmittelmarkt und den Metallgitterzäunen belegten Flächen werde beeinträchtigt. Ein Befahren bzw. Begehen dieser Fläche sei nicht möglich.
Die Kläger seien zur Duldung dieser Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet. Die Duldungspflicht ergebe sich aus den Vereinbarungen anlässlich der Bestellung der Grunddienstbarkeit. Es sei festgehalten, dass das Grundstück, das die Kläger von der Fa ... erworben haben, zum größten Teil nur über die gemeinschaftliche Straßenfläche erreichbar sei, die Teil der Grundstücke Nr. 3354/1 und 3354 sei. Weiter sei festgehalten, dass zur Absicherung eines Geh- und Fahrrechts Grunddienstbarkeiten zu Lasten der Grundstücke 3354 und 3354/1 zu bestellen seien. Der Zweck der vorgenommenen Bestellung des Geh- und Fahrrechts sei die Sicherung des Zugangs zum Grundstück der Kläger gewesen, das nicht am öffentlichen Verkehrsraum liege und bezüglich dessen auch in sonstiger Hinsicht ein Zugang nicht abgesichert gewesen sei. Deshalb sei die Grunddienstbarkeit bestellt worden. Der Berechtigte könne die Grundstücksteilfläche zum Gehen und Fahren benützen. Die Dienstbarkeit dürfe nur zur gemeinschaftlichen Nutzung mit den Eigentümern der Grundstücke 3354 und 3354/1 ausgeübt werden. Es sei geregelt, dass der Berechtigte verpflichtet sei, sich der von den jeweiligen Eigentümern dieser Grundstücke festgelegten Verkehrsführung anzuschließen. Den Klägern stehe nur ein eingeschränktes Geh- und Fahrrecht auf dieser Fläche zu.
Die Regelung sei so auszulegen, dass die Eigentümer der mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücke das Geh- und Fahrrecht einschränken dürften. Dafür spreche der tatsächliche Zustand der von der Grunddienstbarkeit betroffenen Fläche zum Zeitpunkt ihrer Bestellung. Das Geh- und Fahrrecht sei bereits zum Zeitpunkt der Bestellung der Grunddienstbarkeit nur eingeschränkt ausübbar gewesen.
Die Eigentümer der belasteten Grundstücke könnten die Verkehrsführung festlegen. Sie seien berechtigt, zuzuteilen, welcher Bereich des belasteten Grundstücks dem motorisierten und welcher dem nichtmotorisierten Verkehr zugewiesen werden solle.
Es müsse lediglich eine Erreichbarkeit des Grundstücks der Kläger gewährleistet sein. Für die Kläger sei es unproblematisch möglich, ihr Grundstück sowohl gehend als auch fahrend zu erreichen.
Es könne offen bleiben, ob für das Einfahren in die Garage der Kläger ein zwei- bis dreimaliges Zurücksetzen notwendig wäre. Diese Einschränkung würde auch dann bestehen, wenn der von der Grunddienstbarkeit betroffene Bereich, auf dem sich heute der Lebensmittelmarkt befindet, von den Beklagten dem ruhenden Verkehr oder dem Fußgängerverkehr zugewiesen worden wäre. Ein schutzwürdiges Interesse der Kläger sei nicht erkennbar, den ihrem Grundstück gegenüberliegenden und nicht für die Erreichbarkeit erforderlichen Bereich begehen zu können. Das Beseitigungsverlangen stelle sich daher als rechtsmissbräuchlich dar. Wegen der Duldungspflicht im Hinblick auf das Geh- und Fahrrecht ergebe sich auch ein Beseitigungsanspruch nicht aus § 823 im Wege der Naturalrestitution.
2. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger.
Das Urteil sei fehlerhaft, di...