Leitsatz (amtlich)
1. Zur Vorteilsausgleichung im Rahmen eines Anspruchs auf Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 2 EG-FGV.
2. Der große Schadensersatz nach § 826 BGB als auch der Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV knüpfen im Kern jeweils an die Vertrauensinvestition der Klagepartei bei Abschluss des Kaufvertrages an. Da es sich dabei jeweils um unterschiedliche Arten der Schadensberechnung handelt, die nicht kumulativ, sondern allenfalls alternativ (haupt- und hilfsweise) begehrt werden können, muss sich aus dem Klagebegehren (Begründung) eindeutig ergeben, nach welcher Berechnungsart die Klagepartei ihren Schaden errechnet.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 12.11.2021; Aktenzeichen 11 O 322/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12.11.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz E 350 CDI BE am 29.07.2013 von einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten mit einer damaligen Laufleistung von 69.800 km zu einem Preis von 31.500,00 EUR. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 642 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 5.
In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert.
Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - aufgrund einer früheren Zuschaltung des großen Kühlkreislaufes - verzögerte Erwärmung des Motors zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.
Über einen SCR-Katalysator verfügt das Fahrzeug nicht.
Erstinstanzlich hat die Klagepartei zuletzt beantragt für Recht zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 31.772,60 EUR nebst Zinsen aus 31.500,00 EUR in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.04.2020 zu bezahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Daimler Typs Mercedes-Benz E-Klasse, FIN: WDD2073221F....
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag Ziff l genannten Fahrzeugs seit dem 07.04.2020 in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.430,38 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
B. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
C. Gegen dieses Urteil hat die Klagepartei Berufung eingelegt. Die Klagepartei verkaufte das streitgegenständliche Fahrzeug während des Berufungsverfahrens bei einem km-Stand von 209.380 am 30.06.2022 zum Preis von 9.341,00 EUR.
Die Klagepartei hat zunächst in der Berufungsbegründung folgende Sachanträge unter Abänderung des angefochtenen Urteils aufgeführt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 22.020,35 EUR nebst Zinsen aus Euro 22.020,35 hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.03.2020 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs Daimler E-Klasse, FIN: WDD2073221F....
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 8.436,82 EUR Deliktszinsen zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs Daimler E-Klasse, FIN: WDD2073221F....
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag I genannten Fahrzeugs seit dem 20.03.2020 in Verzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.430,38 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten freizustellen.
Zuletzt hat die Klagepartei - bei Rücknahme der Berufung im Übrigen - beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils wie folgt für Recht zu erkennen:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.938,71 EUR nebst...