Leitsatz (amtlich)
1. Eine Taxizentrale in der Rechtsform einer Genossenschaft ist befugt, auch Wettbewerbsverstöße zum Nachteil ihrer Mitglieder zu verfolgen, wenn dies in ihrer Satzung vorgesehen ist.
2. Macht sie geltend, sie selbst und auch Mitglieder ihrer seien durch eine geschäftliche Handlung in ihren Rechten verletzt, so liegt darin ein objektive Klagehäufung, welche sich im Streitwert niederschlägt.
3. Durch die angegriffene Rabattaktion wird der Betreiber der streitgegenständlichen App nicht zum Taxiunternehmer.
4. Als Vermittler von Taxifahrten ist er nicht Adressat der Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstellenden §§ 39 Abs. 3, 51 Abs. 5 PBefG. Da es sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelt, ist ein weiteres Rechtsmittel nicht möglich.
Normenkette
PBefG § 39 Abs. 3, § 51 Abs. 5; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 16.06.2015; Aktenzeichen 44 O 23/15 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 44. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 16.6.2015 (Az.: 44 O 23/15 KfH) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die einstweilige Verfügung des LG Stuttgart vom 12.5.2015 (Az,: 44 O 23/15 KfH) wird aufgehoben. Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Streitwert
für ersten Rechtszug bis zur Beschränkung des Verfügungsantrages: 180.000,- EUR,
danach 150.000,- EUR,
für das Berufungsverfahren 225.000,- EUR.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Unterlassung einer Werbung für die Nutzung einer "Taxi-App", welche dem Kunden einen Preisvorteil von 50 % bringt.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 44. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 16.6.2015 (Az.: 44 O 23/15 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat seine einstweilige Verfügung vom 12.5.2015, gestützt auf §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3, 4 Nr. 11 UWG, §§ 39 Abs. 3, 51 Abs. 5 PBefG, aufrechterhalten.
Diese enthält folgende Verbote:
1 Der Antragsgegnerin wird untersagt, in ihren Werbeankündigen, soweit diese den Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes betreffen, im Internet, insbesondere auf der von ihr unterhaltenen Homepage, und sonstigen Medien damit zu werben, dass für Kunden ihrer App "M." Taxifahrten, welche über diese App gebucht werden, im Geltungsgebiet bzw. Pflichtfahrtgebiet der Landeshauptstadt S., des Bereiches L. und F. zum halben Preis ausgeführt werden, indem den jeweiligen Kunden nachträglich eine Preisreduzierung gewährt und dem jeweiligen Kunden seitens der Antragsgegnerin der hälftige Taxipreis erstattet wird.
2 Der Antragsgegnerin wird untersagt, bei ihr - im Geltungsbereich des Personenbeförderungs-gesetzes im Geltungsgebiet bzw. Pflichtfahrtgebiet der Landeshauptstadt S., des Bereichs L. und F. - beauftragte Taxifahrten durch Gewährung eines auch nur zeitweise eingeräumten Rabattes durch ihr angeschlossene Taxiunternehmen/Taxifahrer ausführen zu lassen.
Hierzu hat das LG in seinem Urteil ausgeführt:
Die Verfügungsklägerin sei nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG antragsbefugt. Sie vertrete mit dem vorliegenden Verfahren die Interessen ihrer Mitglieder. Außerdem vermittelten beide Parteien Taxi-Fahrten in S.
Die §§ 39 Abs. 3 S. 1, 51 Abs. 5 PBefG seien Marktverhaltensregeln. Sie dienten auch im Interesse der Allgemeinheit dazu, ein funktionsfähiges Taxigewerbe zu erhalten. Die Beförderungsentgelte bei Taxen seien Festpreise.
Die Beklagte sei nicht selbst Unternehmer i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 PBefG, was aber einer mittelbaren Bindungswirkung nicht entgegenstehe. Sie beschränke sich nicht auf die Vermittlung von Taxifahrten und die Gewährung von Rabatten, sondern habe mit dem Taxiunternehmer zudem eine Abtretung seiner Forderungen gegen die Kunden vereinbart, wobei die Beklagte auch das Ausfallrisiko trage und die Buchungs- und Zahlungsmodalitäten vorgebe. Sie trage damit einen Teil des unternehmerischen Risikos und verdiene in mehrfacher Hinsicht im Zusammenhang mit der Durchführung einer Taxifahrt. Damit sei sie so in die Nähe der Stellung eines Taxiunternehmers gerückt, dass sie den Regelungen des PBefG unterliege.
Der verfassungskonforme und auf die Verfügungsbeklagte nach ihrem Sinn und Zweck anwendbare § 6 PBefG enthalte ein ausdrückliches Umgehungsverbot. Bei der gebotenen Gesamtschau des Verhaltens der Verfügungsbeklagten müsse die Festpreisbindung auch für sie gelten, um den Gesetzeszweck zu erreichen.
Der Taxifahrer erhalte von der Verfügungsbeklagten nicht den vollen, sondern einen um die Vermittlungsprovision in Höhe von 3 % bis 15 % gekürzten Betrag, wobei er "freiwillig" die Höhe der Provision festlege, aber derjenige den Auftrag erhalte, der die höchste Provision gewähre.
Der ohnehin nicht bindenden Stellungnahme der H. Behörde (GA 142) sei nicht zu entnehmen, dass ihr die Abtretung überhaupt bekannt gewesen sei.
Die Verfügungsklägerin habe den nach § 12 Abs. 2 UWG ohnehin vermuteten Verfügungsgrund glaubhaft gemacht, die...