Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 31.01.2019; Aktenzeichen 12 O 422/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 31.01.2019, Aktenzeichen 12 O 422/17 wie folgt

abgeändert und neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

V. Streitwert: Streitwertstufe bis 4.000,00 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagten Schadensersatz aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines PKW, der vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist und verlangt einen Minderwert des Fahrzeugs. Die Klage gegen die Beklagte Ziff. 1 hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung in erster Instanz zurückgenommen.

Der Kläger erwarb am 07.01.2015 bei der Beklagten Ziff. 1 den PKW VW Tiguan 2.0 TDI Blue Motion Tech mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer: ... zum Kaufpreis von 19.500,00 EUR. Es handelte sich um ein Gebrauchtfahrzeug, das bei Übergabe an den Kläger eine Laufleistung von 43.150 km aufwies (Anl. K 1 GA I Bl. 13). In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 der Emissionsklasse Euro-5 verbaut. Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Erwerbs des Klägers eine EG-Typengenehmigung nach der Euro-5-Norm vor. Die bei dem Fahrzeug verbaute Motorsteuergerätesoftware weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus eins, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus null betrieben, was zu höheren Emissionen führt.

Mit Bescheid vom 15.10.2015 erließ das Kraftfahrtbundesamt bezüglich der Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträgliche Nebenbestimmungen, da es davon ausging, dass die verwendete Motorsteuersoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält. Hierauf entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das vom Kraftfahrtbundesamt für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs freigegeben wurde. Der Kläger ließ im Februar 2017 das Software-Update bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufspielen.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das Verhalten der Beklagten Ziffer 2 erfülle den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Die bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motorsteuersoftware sei eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007. Der Vorstand der Beklagten Ziff. 2, zumindest Mitarbeiter der Beklagten Ziff. 2 in maßgeblichen Teilen und verantwortlichen Positionen hätten über die Entwicklung und den Verbau der Software Kenntnis gehabt und dies gebilligt. Die Beklagte müsse sich das Verhalten ihrer Mitarbeiter zurechnen lassen. Im Übrigen treffe sie eine sekundäre Darlegungslast, wer die Entscheidung der Entwicklung und des Einsatzes der streitgegenständlichen Software getroffen habe. Wenn er von dem Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte, so hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Mit der Klage verlangt er den Ersatz des seiner Auffassung nach nach dem Aufspielen des Software-Updates verbliebenen (merkantilen) Minderwerts, den er auf mindestens 3.600,00 EUR beziffert. Nicht von Bedeutung sei, inwieweit das Software-Update geeignet sei, den dem Fahrzeug anhaftenden Mangel in technischer Hinsicht zu beseitigen. Unabhängig davon hänge dem Fahrzeug ein dessen Marktwert negativ beeinträchtigender Makel an, weil es sich um einen PKW handele, der von dem XY .Abgasskandal betroffen sei.

In Anbetracht möglicher zukünftiger und weitergehende Nachteile sei eine genaue Bezifferung des Schadens noch nicht möglich, so dass er insoweit die Feststellung verlangen könne, dass die Beklagte Ziff. 2 auch zum Ersatz von Schäden, die über die merkantile Wertminderung als solche hinausgehen, verpflichtet ist.

Erstinstanzlich hat der Kläger zuletzt beantragt:

1. Die Beklagte Ziff. 2 wird verurteilt, an den Kläger einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 3.600 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 2 verpflichtet ist, an den Kläger weiteren Schadensersatz, der über den im Klageantrag Ziff. 1 zuerkannten Betrag hinausgeht, für Schäden zu leisten, die aus der Manipulation des Abgasreinigungssystems des Fahrzeugs VW Tiguan 2.0 TDI Blue Motion Tech mit der Fahrzeugidentifikationsnummer: ... durch die Beklagte Ziff. 2 resultieren.

Die Beklagte Ziff. 2 hat erst...

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