Verfahrensgang
LG Ellwangen (Entscheidung vom 15.06.2023; Aktenzeichen 6 O 151/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 15.6.2023 (Az. 6 O 151/22) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 107.500 € nebst Zinsen aus 87.500 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.10.2022 sowie 7.309,10 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.10.2022 zu bezahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Ellwangen sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 60.000 €
Gründe
I.
Der am 27.6.1973 geborene Kläger macht Schmerzensgeld und vorgerichtliche Anwaltskosten aus einem Verkehrsunfall vom 17.04.2019 geltend. Die vollumfängliche Einstandspflicht der Beklagten ist unstreitig. Die Beklagte hat einen Schmerzensgeldvorschuss von 12.500 € bezahlt. Der Kläger hat erstinstanzlich weitere 87.500 € Schmerzensgeld sowie 35.736,10 € Verdienstausfallschaden geltend gemacht. Nach Bezahlung des Verdienstausfallschadens haben die Parteien in der 1. Instanz den Rechtsstreit insofern übereinstimmend für erledigt erklärt.
Bezüglich des Sach- und Streitstandes 1. Instanz im Übrigen und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils 1. Instanz verwiesen.
A.
Das Landgericht gelangte zum Ergebnis, dass dem Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 80.000 € zustehe und hat ihm deshalb weitere 67.500 € zugesprochen. Bei der Schmerzensgeldbemessung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt 45 Jahre alt gewesen sei und mitten im Berufsleben gestanden habe und seit dem Unfall arbeitsunfähig sei. Eine Besserung dieser Situation sei nicht absehbar. Der Kläger leide durchgehend unter Schmerzen, müsse starke Schmerzmedikamente nehmen, sei in seiner Mobilität auch aufgrund der psychischen Probleme eingeschränkt und könne seinen Alltag nicht mehr ohne Hilfe bewältigen. Er sei deshalb weitgehend an einem Sozialleben gehindert. Seit dem Unfall habe er sich für insgesamt mehr als zehn Monate stationär in Behandlung befunden und habe unzählige Operationen über sich ergehen lassen müssen. Es sei nicht vorhersehbar, wann er wieder ein schmerz- und angstfreies Leben werde führen können. Bereits jetzt sei absehbar, dass weitere langwierige, schmerzhafte Behandlungen und mindestens eine weitere Operation notwendig sein würden. Die von Beklagtenseite angeführten Entscheidungen seien zwar im Hinblick auf die Grundverletzung (Unterschenkelfraktur) vergleichbar, nicht jedoch hinsichtlich Behandlungsdauer und -komplikationen, Dauerbeeinträchtigungen und psychischen Folgeerscheinungen. Das Schmerzensgeld müsse daher deutlich über dem Schmerzensgeld für "normale" Frakturen liegen. Das Gericht halte die Entscheidung des OLG Brandenburg BeckRS 2021, 26801 für grundsätzlich vergleichbar, die Folgen seien jedoch im vorliegenden Fall gravierender.
Vorgerichtliche Anwaltskosten seien aus einem Gegenstandswert von 278.337,22 € und einer 2,5 Geschäftsgebühr ersatzfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.
B.
Der Kläger macht mit seiner Berufung weiter geltend, dass ihm ein Schmerzensgeld von mindestens 100.000 € abzüglich der gezahlten 12.500 € zustehe.
Hinsichtlich der durch den Unfall verursachten Folgen nimmt er auf den unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug und verweist darauf, dass durch den Unfall für ihn nichts mehr sei wie zuvor. Er sei dauerhaft auf Hilfe angewiesen, bekomme sein Leben kaum noch in den Griff. Besonders ins Gewicht fielen die psychischen Folgen für ihn. Am ehesten vergleichbar sei die Entscheidung OLG Stuttgart, Az. 7 U 88/09, wobei die für den Kläger eingetretenen Unfallfolgen noch gravierender seien. Darüber hinaus gehend habe er eine Unterarmfraktur, eine chronische Schmerzstörung, einen Abriss von drei Unterschenkelarterien sowie eine komplexe Infektpseudarthrose am Unterschenkel links erlitten und leide unter schweren Depressionen. Das Landgericht habe sich mit dem Urteil des OLG Stuttgart, das indexiert ein Schmerzensgeld von 100.000 € zugesprochen habe, nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Der Kläger beantragt:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ellwangen, Az. 6 O 151/22, wird die Beklagte verurteilt,
- an den Kläger einen Betrag in Höhe von 87.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 123.236,10 € seit 01.10.2022 zu bezahlen;
- an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.309,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten übe...