Leitsatz (amtlich)

1. Der Arzt, an den ein Patient zu einer bestimmten Untersuchung ohne Äußerung eines bestimmten Krankheitsverdachts vom Hausarzt überwiesen wird, darf sich auf die Durchführung dieser Untersuchung beschränken.

2. Ein Radiologe, dem ein Patient vom Hausarzt zur Anfertigung eines CT des Kopfes mit der Angabe „z. B. intracranieller Prozeß” überwiesen wird, ist nicht verpflichtet, statt eines nativen CT ein Kontrastmittel-CT zu fertigen, wenn das CT keinen ungewöhnlichen Befund ergibt.

 

Verfahrensgang

LG Hechingen (Aktenzeichen 2 O 335/94)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 02.10.98 – 2 O 335/94 – wird

zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 50.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Wert der Berufung

761.375,00 DM

Beschwer der Klägerin:

über 60.000,00 DM

 

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen einer computertomografischen Untersuchung in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten mit der Behauptung geltend, wegen versäumter Kontrastmittelgabe sei ihr Acusticus-Neurinom verspätet diagnostiziert worden.

Die am 23.12.46 geborene Klägerin war 1979 und seit dem 04.11.88 bei Dr. S. in hausärztlicher Behandlung. In der dazwischen liegenden Zeit war Dr. D. ihr Hausarzt. Nach dessen Unterlagen traten seit Ende 1987 Kopfschmerzen und Schwankschwindel auf. Unter dem 09.10.87 ist dort vermerkt, daß die Klägerin Schwindel habe „(li. Sie höre schlecht, Dröhnen)”. Weil die Klägerin mit der Behandlung bei Dr. D. nicht mehr einverstanden war, kehrte sie im November 1988 zu Dr. S. zurück. Dieser vermerkte u. a. unklare Schwindelzustände, „bei Nervosität Zunahme der Beschwerden” sowie im HWS-Schulter-Arm Bereich Verspannungen; unter der Diagnose vegetativer Beschwerden verordnete er Massagen und Heißluftanwendungen. Aus Anlaß im Krankenblatt vermerkter Schwindelbeschwerden, Kopfschmerzen und Nervosität überwies Dr. S. die Klägerin am 03.02.89 zur Anfertigung eines CT im Kopfbereich (im Überweisungsschein jew. angekreuzt, Anlage 3, Blatt 23 a der Akten) in die Praxis der Beklagten. Handschriftlich eingetragen war lediglich die weitere Angabe „z. B. intracranieller Prozeß”.

Daraufhin führte der Zweitbeklagte eine computertomografische Untersuchung der Klägerin ohne Verabreichung eines Kontrastmittels durch. In den Krankenunterlagen (auf dem „Skriboraufkleber”) wurde handschriftlich vom Beklagten Ziff. 2 vermerkt, daß bei der Klägerin eine Allergie vorliege (vgl. Aufbewahrungsmappe, Blatt 142 a der Akten). Das Ergebnis der Untersuchung teilte der Beklagte Ziff. 2 der Klägerin und gleichlautend in seinem Arztschreiben vom 10.2.1989 dem Hausarzt Dr. S. u. a. wie folgt mit (Anlage 4/Blatt 23 a der Akten):

„Computertomografie des Schädels:

Schichtdicke und Schichtabstand in der hinteren Schädelgrube 5 mm, im übrigen Neurocranium jeweils 10 mm. Nativuntersuchung. … Beurteilung: Unauffällige intracranielle Verhältnisse.”

Am 28.02.89 war die Klägerin wieder bei Dr. S., der einen fortbestehenden Drehschwindel vermerkte und eine Infusionsbehandlung einleitete. Unter dem 26.09.89 ist eine Besserung der Beschwerden vermerkt (vgl. zu den einzelnen Terminen das Krankenblatt. Blatt 221 der Akten).

Am 25.02.91 stellte sich die Klägerin wegen hörsturzartiger Hörverschlechterung bei Dr. S. vor, der sie deshalb zum HNO-Arzt Dr. E. nach A. überwies. Dieser veranlaßte eine erneute computertomografische Untersuchung des Kopfes der Klägerin wegen Verdachts auf ein Acusticus-Neurinom.

Diese wurde wieder in der Praxis der Beklagten – nunmehr unter Kontrastmittelgabe – durchgeführt. Sie führte zur Feststellung eines rechtsseitigen Acusticus-Neurinoms von 2,2 cm Durchmesser.

Anfang Juni 1991 fand nochmals eine Kontrolluntersuchung durch Kernspintomografie unter Gabe von Kontrastmittel in der Gemeinschaftspraxis Dr. Eb. & Kollegen in K. statt. Diese ergab das Bild eines 2,2 × 2,4 cm großen, stark Kontrastmittel aufnehmenden Tumors, der in den inneren Gehörgang hinreicht (Anlage 7, Blatt 23 a der Akten).

Die Klägerin ließ die erforderliche Operation an der Universitätsklinik in M. durchführen. Am 04.07.91 wurde eine Totalexstirpation des Acusticus-Neurinoms durchgeführt (vgl. zum Verlauf dieser Operation das Arztschreiben vom 12.07.91 an Dr. S. (Anlage 9, Blatt 23 a der Akten). Bei stationärer Aufnahme hatte bereits eine diskrete Mundastschwäche rechts bestanden. Es war ein kompletter Hörverlust eingetreten. Postoperativ war eine Facialis-Schwäche rechts – mit rückläufiger Tendenz – erkennbar. In dem Attest Dr. S. vom 20.07.93 werden eine Defektheilung mit Drehschwindel, Tinnitus, Taubheit und Restparese des rechten Facialisnervs sowie eine depressive Verstimmung bestätigt. Seit dem 07.05.93 bezieht die Klägerin eine EU-Rente. Die von ihr bis dahin selbständig betriebene Lohnstickerei hatte sie schon am 3...

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