Leitsatz (amtlich)
1. Die Ermächtigung des Vorstands einer Aktiengesellschaft zur Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien gegen Bar- oder Sacheinlagen berechtigt den Vorstand nicht zum Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre.
2. Zur Kausalität von Verfahrensfehlern eines Hauptversammlungsbeschlusses.
Normenkette
AktG §§ 202-203, 243
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Aktenzeichen 2 KfH O 395/00) |
Tenor
1. Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 02.05.2000 – 2 KfH O 395/2000 sowie 2 KfH O 440/2000 – werden mit der Maßgabe
zurückgewiesen,
daß von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug jeder Kläger die Hälfte trägt.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 7.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert des Verfahrens in beiden Rechtzügen wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Sie machen die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen der Verletzung aktienrechtlicher Vorschriften über genehmigtes Kapital geltend.
Durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger vom 05.01.2000 berief die Beklagte die Aktionäre zu einer Hauptversammlung auf den 16.02.2000 ein. In der Anzeige wurde u. a. die Tagesordnung bekannt gemacht, die unter Ziffer 5. a) folgenden Beschlußvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten enthielt:
„Genehmigtes Kapital:
§ 4 Abs. 3 der Satzung erhält folgende neue Fassung:
(3) Der Vorstand ist ermächtigt, das Grundkapital der Gesellschaft bis zum 16.02.2005 mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe neuer Stammaktien gegen Bareinlagen oder gegen Sacheinlagen einmal oder mehrmals, insgesamt höchstens jedoch um einen Nennbetrag von DM 10.000.000,00, eingeteilt in bis zu 2.000.000 Stück auf den Inhaber lautender Aktien ohne Nennwert, zu erhöhen und hierbei das Bezugsrecht für gegebenenfalls anfallende Spitzenbeträge auszuschließen.”
In der Hauptversammlung vom 16.02.2000 stimmten beide Kläger gegen den mit einer Mehrheit von über 99 % der abgegebenen Stimmanteile gefaßten Beschluß und erklärten Widerspruch zu Protokoll des Notars.
Die Kläger sind der Auffassung,
der Beschluß enthalte neben der ausdrücklichen Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge eine weitere, immanente Ausschließungsermächtigung zugunsten des Vorstands, da er diesem die Befugnis einräume, von dem genehmigten Kapital durch Sachkapitalerhöhung Gebrauch zu machen. Eine Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen habe nämlich denklogisch einen Bezugsrechtsausschluß für alle nicht zur Sacheinlage zugelassenen Aktionäre zwingend zur Folge. Dieser konkludente Bezugsrechtsausschluß sei aber weder bei der Einberufung der Hauptversammlung bekannt gemacht, noch sei ein entsprechender Vorstandsbericht vorgelegt worden. Der Vorstandsbericht vom Januar 2000 befasse sich mit dem Bezugsrechtsausschluß durch Sacheinlagen überhaupt nicht. Der Bericht sei aber auch deshalb unzureichend, weil er den Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge nicht nachvollziehbar begründe. Darüber hinaus sei er den Aktionären vor der Hauptversammlung nicht zur Verfügung gestellt worden. Auch bei der Hauptversammlung selbst sei der Bericht nicht ausgelegt, sondern den Aktionären erst auf Nachfrage ausgehändigt worden.
Der Hauptversammlungsbeschluß über das genehmigte Kapital sei daher nichtig, jedenfalls aber anfechtbar.
Die Kläger haben beantragt,
den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 16.02.2000 gefaßten Beschluß zu Tagesordnungspunkt 5 lit. a) mit folgendem Wortlaut:
„5. Beschlußfassung über Satzungsänderung.
Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor zu beschließen:
a) Genehmigtes Kapital:
§ 4 Abs. 3 der Satzung enthält folgende neue Fassung:
(3) Der Vorstand ist ermächtigt, das Grundkapital der Gesellschaft bis zum 16.02.2005 mit Zustimmung des Aufsichtsrates durch Ausgabe neuer Stammaktien gegen Bareinlagen oder gegen Sacheinlagen einmal oder mehrmals, insgesamt höchstens jedoch um einen Nennbetrag von DM 10.000.000,00 eingeteilt in bis zu 2.000.000 Stück auf den Inhaber lautender Aktien ohne Nennwert, zu erhöhen und hierbei das Bezugsrecht für gegebenenfalls anfallende Spitzenbeträge auszuschließen.”
für nichtig zu erklären;
- hilfsweise, festzustellen, daß der oben bezeichnete Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 16.02.2000 nichtig sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung,
der Hauptversammlungsbeschluß unter Ziff. 5 a) beinhalte lediglich die Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge. Hierauf sei in der Einladung zur Hauptversammlung ausdrücklich und ordnungsgemäß hingewiesen worden. Der Grund für diese Ermächtigung des Vorstands sei durch den Vorstandsbericht hinreichend klar auch anhand eines Beispi...