Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank: Wirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel in einem Kontokorrentkreditvertrag; Auslegung einer Klausel als Grundlage einer Entgeltforderung für eine Hauptleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Wirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel in einem Kontokorrentkreditvertrag bedarf es einer verbindlichen Verpflichtung der Bank zur Senkung des Zinssatzes unter Wahrung des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Äquivalenzverhältnisses zwischen dem Vertragszinssatz und den Refinanzierungskonditionen.
2. Die Klausel
"Erhöht sich der letzte veröffentlichte Monatsdurchschnitt für den EURIBOR-Dreimonatsgeld gegenüber dem im Vormonat ermittelten Monatsdurchschnitt bei Vertragsschluss bzw. bei der letzten Konditionenanpassung um mindestens 0,25 Prozentpunkte, so kann die Bank den Zinssatz unter Berücksichtigung ihrer Refinanzierungsmittel nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) anheben; die Bank wird den Zinssatz entsprechend senken, wenn sich der Monatsdurchschnitt für EURIBOR-Dreimonatsgeld um mindestens 0,25 Prozentpunkte ermäßigt hat. Bei der Leistungsbestimmung wird sich die Bank an der Zinsgestaltung orientieren, die bei Vertragsabschluss bestanden hat"
ist teilunwirksam, als sie der Bank bei der Zinssenkung ein nicht ausreichend konkretes Leistungsbestimmungsrecht einräumt.
3. Ansprüche eines Kunden auf Kondiktion der Saldoanerkenntnisse wegen unterbliebener bzw. fehlerhafter Zinsanpassungen sind jedenfalls dann verwirkt, wenn Zinsanpassungen in Rechnungsabschlüssen über 5 Jahre zurückliegen, ohne dass anlässlich der jeweils vierteljährlichen Aufforderungen zur Prüfung und Abgabe von Saldoanerkenntnissen Beanstandungen erhoben wurden.
4. Die Klausel
"Außerhalb des Privatkundengeschäfts bestimmt die Bank, wenn keine andere Vereinbarung getroffen ist, die Höhe von Zinsen und Entgelten nach billigem Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches)"
kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Bank sie zur Grundlage einer Entgeltforderung für eine typische Hauptleistung im Zusammenhang mit einem Girokonto machen kann. Als typische Leistungen sind insbesondere die Kontoführung und der Zahlungsverkehr anzusehen.
Normenkette
BGB §§ 242, 305c Abs. 2, §§ 307, 315 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 01.04.2011; Aktenzeichen 6 O 489/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Heilbronn - Einzelrichter - vom 1.4.2011 - 6 O 489/06 Bi, hinsichtlich der dortigen Beklagten zu 1 bezüglich des Ausspruchs über die Verzugszinsen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte (zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 96.909,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 35.476,73 EUR seit dem 16.7.2006, aus 49.333,38 EUR seit dem 25.1.2007 und aus 12.099,08 EUR seit dem 15.12.2011 zu zahlen.
4. Im Übrigen werden die Klage gegen die Beklagte (zu 1) und die Widerklage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung bezüglich des Widerklageantrages Ziff. 2b als unzulässig verworfen und bezüglich der übrigen Anträge zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des LG hinsichtlich der Beklagten (dort: zu 1) sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, die Klägerin leistet vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert des Berufungsverfahrens: 443.947,27 EUR
Klage: 96.909,19 EUR
Hilfsbegründung: 12.099,08 EUR
Widerklage: 333.939 EUR
Hilfswiderklage: 1.000 EUR
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der beklagten, sich in Liquidation befindlichen Gesellschaft die Rückzahlung einer Überziehung eines auf einem Geschäftskonto eingeräumten Kontokorrentkredits sowie - hilfsweise - die Rückzahlung des während des Berufungsverfahrens gekündigten Kontokorrentkredits. Widerklagend verlangt die Beklagte die Auszahlung eines vermeintlichen, auf diesem Geschäftskonto bei richtiger Berechnung vorhandene Guthaben und verlangt die Überlassung von Kontoauszügen seit Beginn der Geschäftsbeziehung bis zum Jahr 1988. Hilfsweise widerklagend verlangt die Beklagte die Neuberechnung des Geschäftskontos nach vorgegebenen Berechnungsregeln.
Auf die Feststellungen des LG wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage der Beklagten (früher: zu 1) abgewiesen. Die Beklagte schulde bezüglich des Konto Nummer ... den Ausgleich der den Kontokorrentkredit von 100.000 EUR übersteigenden geduldeten Kontoüberziehung. Das grundsätzliche Bestehen einer Rückführungspflicht der über den Kontokorrentkredit hinausgehenden Kontoüberziehungen werde von der Beklagten nicht infrage gestellt. Das LG sei davon überzeugt, dass der Beklagten die Rechnungsabschlüsse auf den Kontoau...