Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtrennung einer Folgesache. Scheidungsverbundverfahren: Unzumutbare Härte als Voraussetzung der Abtrennung von Folgesachen
Leitsatz (redaktionell)
Die Abtrennung von Folgesachen ist nur zulässig bei Vorliegen von Härtegründen, die einen isolierten Scheidungsausspruch rechtfertigen. Dies ist nicht der Fall, wenn der wirtschaftlich deutlich schwächere Ehegatte insbesondere auch angesichts seines Alters nach einer langen Ehedauer ein schützenswertes Interesse daran hat, dass alle Folgesachen geregelt sind. Dies gilt auch dann, wenn das Verhalten des Ehegatten der prozessualen Förderungspflicht nicht entspricht, eine Verzögerung jedoch durch prozessleitende Maßnahmen hätte vermieden werden können.
Normenkette
ZPO § 628 S. 21 Nr. 4, § 621 Abs. 1 Nr. 6, § 623 Abs. 1 S. 1, § 628 S. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Ravensburg (Urteil vom 05.03.2008) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des AG - FamG - Ravensburg vom 5.3.2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das AG - FamG - Ravensburg zurückverwiesen.
Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
Streitwert der Berufung: 15.000 EUR.
Gründe
Die Berufung des Antragsgegners führt nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FamG. Es bedarf einer erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Scheidungsantrag sowie die Folgesachen Versorgungsausgleich, Unterhalt und Zugewinn im Verbund (§§ 623 Abs. 1 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), weil entgegen § 301 ZPO ein Teilurteil über das Scheidungsbegehren erlassen worden ist, obwohl die Voraussetzungen des § 628 Nr. 4 ZPO nicht gegeben waren (Zöller/Philippi, 26. Aufl., § 628 Rz. 14).
Nach § 628 Nr. 4 ZPO kann das Gericht dem Scheidungsantrag vor einer Entscheidung über eine Folgesache stattgeben, soweit die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Unabhängig von der tatsächlichen oder voraussichtlichen Verfahrensdauer ist eine Abtrennungsentscheidung nur dann zu billigen, wenn Härtegründe vorliegen, die einen isolierten Scheidungsausspruch rechtfertigen. Da die Vorschriften über den Verbund dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten dienen und dieser Zweck nicht vereitelt werden darf, ist § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eng auszulegen. Der Einführung des Scheidungsverbundes liegen nämlich Erwägungen zugrunde, die eine umfassende Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Folgen zusammen mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Interesse der Ehegatten betreffen. Danach ist Sinn und Zweck des Verbundes die Vermeidung der Rechtslage, die dadurch eintreten kann, dass eine Streitpartei ihren Status als Ehegatte durch die Rechtskraft des Scheidungsurteils verliert, ohne dass eine Regelung über die Folgen getroffen ist (OLG Köln FamRZ 1998, 301). Die Gewährleistung dieses Zweckes ist aber gerade für die Antragsgegnerin von besonderer Bedeutung, da sie als wirtschaftlich deutlich schwächere Partei insbesondere auch angesichts ihres Alters nach der langen Ehedauer ein schützenswertes Interesse daran hat, dass alle Folgesachen, insbesondere auch der Versorgungsausgleich, geregelt sind, damit sie ihre Dispositionen für die Zukunft treffen kann.
Zwar kann ein Parteiverhalten, das der prozessualen Förderungspflicht nicht entspricht, im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden (BGH FamRZ 1986, 898; OLG Frankfurt/M, FamRZ 1986, 921; OLG Oldenburg FamRZ 1992, 458). Indessen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Vorliegend hätte eine Verzögerung des Versorgungsausgleichs bereits durch prozessleitende Maßnahmen vermieden werden können. Die Auskünfte zum Versorgungsausgleich liegen bereits seit langer Zeit vor. Der Antragssteller hat bereits mit Schriftsatz vom 27.12.2005 mitgeteilt, dass er nicht in der Lage ist, den Ausgleichsbetrag zu zahlen. Sollte das FamG weitere Beweiserhebungen diesbezüglich beabsichtigen, hätte bereits seit diesem Zeitpunkt, spätestens aber im Hinblick auf die Verhandlung vom 13.2.2008, die Möglichkeit bestanden, entsprechende Beweise zu erheben. Ebenso hätte das FamG - anstelle die Folgesache Zugewinn am 8.1.2008 abzutrennen, nachdem es das Gutachten J. zum Zugewinnausgleich, das bereits am 3.12.2007 beim FamG eingegangen war, erst am gleichen Tag an die Parteien versandt hat - auch im Hinblick auf diese Folgesache prozessleitende Maßnahmen treffen können. Nachdem dies unterblieben ist, ist auch nicht ersichtlich, dass der Antrag in der Folgesache Unterhalt vom 6.2.2008 das Verfahren verzögert hat. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass alle drei Folgesachen sich bedingen. Ob dem Antragsteller eine Ausgleichszahlung zuzumuten ist, hängt ...