Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 18.03.2019; Aktenzeichen 14 O 328/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 18.3.2019 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem unter dem 9.3.2015 geschlossenen Darlehensvertrag über 24.030,00 Euro ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 28.5.2018 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht.
2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 1.487,45 Euro zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte 95%, der Kläger trägt 5%.
4. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird, beschränkt auf die Widerklage, zugelassen.
Streitwert der Berufungsinstanz: 30.121,61 Euro.
Gründe
I. Der Kläger begehrt nach mit Schreiben vom 21.3.2018 erklärtem Widerruf die Feststellung, dass seine primären Leistungspflichten aus einem Verbraucherdarlehensvertrag erloschen seien, den er unter dem 9.3.2015 zur Finanzierung eines PKW-Kaufs mit der beklagten Bank abgeschlossen hatte. Die Beklagte verlangt im Wege der Hilfswiderklage Zahlung wegen des Wertverlusts, den das finanzierte Fahrzeug zwischenzeitlich erlitten habe.
Der Kläger meint, die ihm überlassenen Vertragsunterlagen enthielten nicht alle Pflichtangaben, die Voraussetzung für die Ingangsetzung der Frist für das ihm zustehende Widerrufsrecht seien. Er habe den Vertrag daher im Jahr 2018 noch widerrufen können.
Bezüglich der Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger seien mit den ihm überlassenen Vertragsunterlagen alle erforderlichen Pflichtangaben gemacht worden, sein Widerruf sei daher verfristet gewesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der unter näherer Begründung im Einzelnen weiterhin meint, er habe nicht alle Pflichtangaben erhalten.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.03.2019 - 14 O 328/18 - abzuändern und
festzustellen, dass die primären Leistungspflichten des Klägers aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 09.03.2015 über 24.030,00 EUR zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 28.05.2018 erloschen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Für den Fall, dass der Widerruf entgegen der von ihr vertretenen Auffassung doch wirksam sei, stehe ihr im Übrigen ein Anspruch gegen den Kläger wegen des am finanzierten Fahrzeug zwischenzeitlich eingetretenen Wertverlusts zu; dieser betrage mindestens 18.705,00 Euro und übersteige den in diesem Fall in - unstreitiger - Höhe von 12.613,39 Euro bestehenden Rückzahlungsansprüche des Klägers.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den erklärten Widerruf für wirksam halten sollte, beantragt die Beklagte daher zuletzt im Wege der Widerklage:
Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte EUR 6.091,61 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Hilfs-Widerklage abzuweisen.
Der Kläger hat außerdem gegenüber dem von der Beklagten geltend gemachten Anspruch wegen des Wertverlusts des finanzierten Fahrzeugs die Aufrechnung erklärt mit einem Anspruch auf Rückgewähr der auf den Vertrag erbrachten Zahlungen, der ihm im Fall eines wirksamen Widerrufs zustehe.
Der Senat hat Beweis erhoben über den Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens. Wegen der weiteren Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet; der Widerruf des Klägers ist wirksam (1.).
Die Hilfswiderklage der Beklagten, über die damit zu entscheiden ist, ist gleichfalls zulässig, jedoch infolge der von ihr selbst erklärten Aufrechnung nur teilweise begründet (2.).
Gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, § 40 Abs. 1 EGBGB finden die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften von BGB und EGBGB in ihrer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im März 2015 gültigen Fassung Anwendung. Zitierungen von BGB und EGBGB im Folgenden beziehen sich auf die Vorschriften in dieser Fassung, soweit nicht anders vermerkt.
1. Die Berufung ist begründet.
Dem Kläger stand bei Abschluss des streitgegenständlichen Verbraucherdarlehensvertrages ein Widerrufsrecht zu, das bei Abgabe der Widerrufserklärung nicht verfristet (a)) und dessen Ausübung auch nicht rechtsmissbräuchlich war (b)).
Der ...