Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Wirksamkeitsprüfung für die Kündigung eines entgeltlichen Einspeisungsvertrags mit einem Breitbandkabelnetzbetreiber; Kontrahierungszwang

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1, Art. 12, 14; BGB §§ 134, 138, 242, 584, 670, 677, 679, 683 S 1, §§ 812, 826; UrhG §§ 20a, 87; GWB §§ 1, 19 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4 Nr. 2, § 20 Abs. 1, § 33 Abs. 1, 3; EGRL 22/2002 Art. 31 Abs. 1; RdFunkVtr §§ 52, 52b, 52d; MedienG BW § 31 Abs. 3 S. 2, § 33

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen 11 O 215/12)

BGH (Aktenzeichen KZR 83/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.06.2015; Aktenzeichen KZR 83/13)

 

Tenor

1. a) Der Rechtsstreit wird im Umfang des Hilfsantrags 1f, nämlich festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die Programme zu 1. a) in ihre Netze einzuspeisen und auch keine Kapazität hierfür vorhalten muss, soweit und solange zwischen der Klägerin und der Beklagten kein wirksamer Vertrag über die Einspeisung besteht, zur gesonderten Entscheidung abgetrennt.

b) In diesem Umfang wird der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 17a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 20.3.2013 zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 1.900.000 EUR

 

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, sie hat der Sache nach, soweit der Streitstoff in die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit fällt und nicht abgetrennt und verwiesen werden muss, keinen Erfolg.

Zum einen wird auf die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Zusammenfassend und ergänzend:

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte für die Aufnahme (Einspeisung) und Zuführung seiner Programmsignale in und über das Kabelnetzsystem der Klägerin an deren Programmendabnehmer eine Einspeisungsvergütung zu entrichten hat.

Die Klägerin begehrt im Kern die Fortsetzung eines Einspeisungsverhältnisses (Verurteilung zum Vertragsabschluss, Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Kündigung und Vorenthaltung eines solchen Vertrages) sowie die Feststellung, dass der Beklagte wegen dessen Einspeisungsvorgängen an die Klägerin Entgelte zu zahlen hat.

Die Klägerin hat Breitbandkabelnetze der D. B. übernommen, die sie in einigen Bundesländern, insbesondere in R., nicht aber in B. betreibt. Der Beklagte, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Länder B. und R., versorgt mit seinen Programmen die Empfänger über dessen Antennenanlagen oder über das Netz der Klägerin, welche von Zwischenvertreibern oder dem Endbenutzer Entgelte erhält. In R. wurden 2011 von den ca. 1,79 Millionen TV-Haushalten etwa 690.000 über das Klägernetz versorgt. Die Programmsignale des Beklagten gehen auch über Satellit, terrestrisch oder über Breitbandkabelnetze anderer, kleinerer Kabelnetzbetreiber oder internetbasiert an die Endbenutzer.

Die Klägerin hatte mit öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunkveranstaltern Einspeisungsverträge geschlossen. So am 27.2.2008 (K 9) auch einen u.a. mit den zur X. zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten, in dessen Präambel in Ziff. 6 bereits festgehalten war, dass die Vertragsparteien unterschiedlicher Auffassung über die Einspeisungsentgelte und die Pflichtigkeit dazu seien. Gemäß § 8 hatten die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter ein Gesamtentgelt von 27 Mio. EUR zzgl. Mehrwertsteuer pro Jahr zu leisten. Der Vertrag nahm seinen Beginn am 1.1.2008 und hatte eine Laufzeit bis 31.12.2012 mit einer Verlängerungsoption, falls nicht spätestens 6 Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt werde. Seine Rechte nach dem UrhG lässt der Beklagte über die GEMA durch Lizenzen auch gegenüber der Klägerin wahren.

Mit Schreiben vom 19.6.2012 kündigte der Beklagte den Einspeisungsvertrag 2008 zum 31.12.2012; die übrigen Rundfunkanstalten sprachen ebenfalls die Kündigung zu diesem Zeitpunkt aus. Seit dem 1.1.2013 zahlen die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter keine Entgelte mehr an die Klägerin für die Verbreitung von ihren Programmen im Breitbandkabelnetz der Klägerin; die Klägerin verbreitet in R. die Programmsignale des Beklagten weiterhin.

Die Klägerin hat dafür gehalten, dass sie gesetzlich verpflichtet sei, die streitgegenständlichen Programme des Beklagten zur analogen wie digitalen Verbreitung aufzunehmen. Der Beklagte seinerseits sei verpflichtet, seine Programme auch über bestehende Breitbandkabelnetze zu verbreiten. Da in R. rund 807...

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