Leitsatz (amtlich)
Eine Verbraucherinformation ist unvollständig und damit fehlerhaft, wenn die gemäß Anlage D Abschnitt I Nr. 2 lit. b bis d zu § 10 a VAG a.F. erforderlichen Angaben nicht vollständig vorgelegen haben. Dies berechtigt den Versicherungsnehmer zum Widerspruch nach § 5a VVG a.F.
Normenkette
BGB §§ 812, 818; VAG § 10a a.F.; VVG § 5a a.F.
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 01.02.2017; Aktenzeichen Be 4 O 89/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 01.02.2017, Az. Be 4 O 89/15, abgeändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.418,68 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 158.903,41 EUR vom 18.06.2015 bis zum 03.04.2017 und
aus 13.418,68 EUR seit dem 04.04.2017
zu bezahlen.
I. Im Übrigen wird die Klage - soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben - abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 29 % und die Beklagte 71 %.
IV.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
bis zur teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung bis zu 155.000,00 EUR und
ab der teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung bis zu 95.000,00 EUR.
Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens: bis zu 155.000,00 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Rentenversicherungsvertrages mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
Der Kläger schloss im Jahr 1995 mit der Beklagten einen Vertrag über eine Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitsversicherung zur Vertragsnummer 01759951. Der Vertrag sah einen Versicherungsbeginn zum 01.04.1995 und einen Beginn der Rentenzahlung zum 01.04.2017 vor.
Der Abschluss erfolgte im Rahmen des sogenannten Policenmodells. Der Kläger erhielt nach seinem Antrag vom 17.01.1995 (Anl. K 1, Bl. 12 bis 16) seitens der Beklagten den Versicherungsschein nebst Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen (Anl. K 4, Bl. 19 bis 42).
Im Versicherungsschein findet sich auf S. 3 eine mit "*" umrandete Widerspruchsbelehrung mit folgendem Text:
"Der Vertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn Sie als Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widersprechen. Die Widerspruchsfrist beginnt erst, wenn Ihnen der Versicherungsschein und alle vorgenannten Unterlagen vorliegen. Es genügt die rechtzeitige Absendung Ihres Widerspruchs. Im Übrigen erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
Ergänzend wird hinsichtlich des Inhalts der Widerspruchsbelehrung und ihrer drucktechnischen Gestaltung auf die Belehrung auf S. 3 des Versicherungsscheins (Anl. K 1, Bl. 22) Bezug genommen.
Der Kläger erbrachte auf den bezeichneten Vertrag nach seinem eigenen Vortrag insgesamt Prämienzahlungen in Höhe von 149.130,69 EUR bzw. nach dem Vortrag der Beklagten in Höhe von 149.130,84 EUR.
Mit Schreiben vom 08.12.2014 (Anl. K 5, Bl. 43/44) erklärte der Kläger gemäß § 5 a VVG a. F. den Widerspruch zum Vertragsschluss gegenüber der Beklagten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Schreiben vom 16.01.2015 (Anl. K 6, Bl. 45) zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 18.02.2015 (Anl. K 7, Bl. 46 bis 50) machte der Kläger einen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch in Höhe von 204.184,65 EUR geltend, den die Beklagte mit Schreiben vom 27.02.2015 (Anl. K 8, Bl. 51) zurückwies.
In erster Instanz hat der Kläger aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung geleisteter Prämien und gezogener Nutzungen begehrt.
Er hat hierzu vorgetragen, er sei nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Die Belehrung genüge nicht den Anforderungen an die drucktechnische Hervorhebung im Sinne von § 5 a VVG a.F. Ferner seien die ihm überlassenen Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG a.F. nicht vollständig gewesen. Sie enthielten keine Angabe, in welchem Umfang die Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen garantiert seien. Darüber hinaus genüge die Angabe der für die Überschussermittlung geltenden Berechnungsgrunds...