Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anwendung deutschen Rechts auf den Innenausgleich zwischen dem rumänischen Haftpflichtversicherer eines in Rumänien zugelassenen Zugfahrzeuges und dem rumänischen Haftpflichtversicherer eines in Rumänien zugelassenen Anhängers nach einem Unfall des Gespanns im Bundesgebiet im September 2018.
2. Wenn das auf den Versicherungsvertrag zwischen dem zuerst regulierenden Haftpflichtversicherer der Zugmaschine und seinem Versicherungsnehmer anwendbare rumänische Recht abweichend von der deutschen Rechtslage weder eine Halterhaftung des Anhängerhalters gegenüber dem Geschädigten noch einen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Anhängerversicherer vorsieht, findet auf die Regressklage gegen den Haftpflichtversicherer des Anhängers deutsches Recht Anwendung.
Normenkette
AuslPflVG § 1; EGBGB Art. 46d; Rom I-VO Art. 7 Abs. 4b, Art. 7; Rom II-VO Art. 4 Abs. 1, Art. 19; StVG § 19a Abs. 4; VVG § 59 Abs. 2 S. 1; ZPO § 293
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.10.2020; Aktenzeichen 2 O 262/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 20.10.2020 (Az. 2 O 262/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart - Mahngericht - vom 7.7.2020, Az. 20-8930601-0-ON / B343/20, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit Zinsen für die Zeit vor dem 3.6.2020 zugesprochen wurden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Vollstreckungsbescheid insofern aufrechterhalten wird.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: bis 6.067,01 EUR
Gründe
I. Die Parteien sind Versicherungsgesellschaften, die beide ihren Sitz in Rumänien haben. Die Klägerin macht Regressansprüche nach einem in Deutschland durch ein LKW-Gespann verursachten Verkehrsunfall geltend.
Das Gespann bestand aus der Zugmaschine mit dem Kennzeichen ..., haftpflichtversichert bei der Klägerin und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger mit dem Kennzeichen .... Beide Fahrzeuge waren zugelassen auf die xxx, die ihren Sitz in Rumänien hat.
Am 21.9.2018 wechselte der Führer der Zugmaschine auf der Autobahn A im Bereich H. kurz vor einer Baustelle auf den linken Fahrstreifen und streifte mit dem Auflieger die Beifahrerseite der Sattelzugmaschine mit dem Kennzeichen XY, die den Auflieger mit dem Kennzeichen XX zog, beide zugelassen auf E. GmbH.
Die Klägerin wurde als Haftpflichtversicherer der Zugmaschine in Anspruch genommen und leistete an die Geschädigte 12.178,53 EUR Schadensersatz. Sie macht hiervon 6.067,01 EUR gegenüber der Beklagten geltend. Die Klägerin erwirkte beim AG Stuttgart unter dem Az. 20-8930601-00-N / B343/20 am 23.4.2020 einen Mahnbescheid und am 7.7.2020 einen Vollstreckungsbescheid über 6.067,01 EUR, der der Beklagten am 27.7.2020 zugestellt wurde (Bl. 35 LG-Akte). Die Beklagte legte mit Schreiben mit Datum 18.8.2020 Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein. Dieses Schreiben ging im Original am 4.9.2020 beim Mahngericht ein.
Erstinstanzlich wurde keine Anspruchsbegründung angefordert, diese ging erst im Berufungsverfahren ein.
A. Das Landgericht hat den Einspruch als unzulässig verworfen, da der Einspruch erst am 4.9.2020 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.
B. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, dass der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid am 27.7.2020 und damit innerhalb der Einspruchsfrist per Fax an das Mahngericht übersandt worden sei; am selben Tag sei der Schriftsatz in einen Briefkasten in Mailand eingeworfenen worden. Es seien jeweils zwei weitere an das Mahngericht adressierte Schriftsätze mitversandt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart dahingehend abzuändern, dass der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart - Mahngericht - vom 07.07.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.
C. Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, und hilfsweise die Sache ans Landgericht zurückzuverweisen.
Nach Hinweis des Senats, dass die Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid wirksam Einspruch eingelegt habe, hat die Klägerin ihren Anspruch wie folgt begründet:
Beide Parteien hätten dem Geschädigten gegenüber als Gesamtschuldner gehaftet. Der Ausgleichsanspruch richte sich nach deutschem Recht. Dies ergebe sich aus Art. 20 Rom II-VO bzw. bei Anwendung von Art. 19 Rom II-VO aus Art. 7 Abs. 4b Rom I-VO iVm. Art. 46d Abs. 2 EGBGB, da die Verpflichtung zum Abschlu...