Leitsatz (amtlich)
Allein mit der Weitergabe eines Kurzzeitkennzeichens gem. § 16 Abs. 2 FZV in der Fassung vom 25.7.2009 durch den Versicherungsnehmer oder den im Haftpflichtversicherungsschein eingetragenen Halter an einen Dritten, dessen Fahrzeug keinen Bezug zum Versicherungsnehmer oder Halter hat, geht der Versicherungsschutz aus dem im Zusammenhang mit der Erteilung des Kurzzeitkennzeichens abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag nicht auf den Dritten über.
Normenkette
FZV § 16; StVG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 14.02.2014; Aktenzeichen 4 O 71/13 Hl) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten zu 4 hin wird das Urteil des LG Heilbronn vom 14.2.2014 (4 O 71/13 Hl) abgeändert.
Die Klage wird bezüglich der Beklagten zu 4 abgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 1/10, die Beklagten zu 1, 2 und 3 3/10 und der Beklagte zu 3 weitere 6/10 alleine.
Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagten zu 1 und 2 1/3.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren tragen die Beklagten zu 1, 2 und 3 3/10 und der Beklagte zu 3 weitere 6/10 alleine. Die Klägerin trägt 7/10 der außergerichtlichen Kosten der Beklagte zu 1 und 2 sowie 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4 ganz.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren tragen die Beklagten zu 1 und 2 1/3. Die Klägerin trägt im Berufungsverfahren von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 2 2/3 und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4 ganz.
Im Übrigen tragen die Parteien in beiden Instanzen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagten können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei Sicherheit von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 5.737,02 EUR
Gründe
I. Die Klägerin fordert u.a. von der Beklagten zu 4 Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 3.10.2010. Hinsichtlich des Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
An dem mittleren am Unfall beteiligten VW Touran des Beklagten zu 3 war das Kurzzeitkennzeichen N-0 angebracht, welches auf die Beklagte zu 4 als Haftpflichtversicherer hinwies. Der Beklagte zu 3 erwarb sein Fahrzeug nicht von dem im "Versicherungsschein" (Bildschirmausdruck) und in der Zulassungsbescheinigung zu diesem Kurzzeitkennzeichen als Halter angegebenen A. A war weder Halter, Eigentümer oder Lenker des am Unfall beteiligten Fahrzeugs des Beklagten zu 3.
Das LG hat die Beklagte zu 4 zur Zahlung des am klägerischen Fahrzeugs entstandenen Schadens verurteilt, weil ein mit einem Kurzzeitkennzeichen in Betrieb gesetztes Fahrzeug auch bei Weitergabe des Kennzeichens an einen Dritten vom Versicherungsvertrag über das Kurzzeitkennzeichen erfasst sei. Für die Haftung im Außenverhältnis sei alleine das Bestehen eines Versicherungsvertrages maßgeblich. Im Übrigen könne sich die Beklagte zu 4 nicht auf einen fehlenden Versicherungsschutz berufen, wenn das Kennzeichen wie hier online erworben worden sei, weil durch diese Art des Vertriebs erst recht erhöhte Risiken der unberechtigten Weitergabe bestehen würden.
Die Beklagte zu 4 ist der Auffassung, im Unfallzeitpunkt habe für das Fahrzeug des Beklagten zu 3 kein Versicherungsschutz ihrerseits bestanden. Das am Fahrzeug des Beklagten zu 3 angebrachte Kurzzeitkennzeichen sei auf einen anderen Halter zugelassen und ohne ihr Wissen weiterverkauft worden.
Die Beklagte zu 4 beantragt:
Unter Abänderung des am 14.2.2014 verkündeten Urteils des LG Heilbronn, Az. 4 O 71/13 HI, wird die Klage gegen die Beklagte 4 abgewiesen.
Die Klägerin beantragt:
Zurückweisung der Berufung.
Die Klägerin ist der Auffassung, die für das "rote Kennzeichen" entwickelte Rechtsprechung sei nicht auf das "Kurzzeitkennzeichen" übertragbar. Die Beklagte zu 4 vertreibe das Kurzzeitkennzeichen online ohne ausreichende Sicherungen gegen Missbrauch. Komme daher Missbrauch mit Kurzzeitkennzeichen vor, für die sie Versicherungen eingegangen sei, müsse sie sich die Folgen zurechnen lassen, wenn sie einen entsprechenden Verdacht habe.
Die Klägerin hat mit den Beklagten zu 1 und 2 am 13.10.2014 einen Vergleich zur Abgeltung ihrer gegen diese gerichteten streitgegenständlichen Ansprüche geschlossen, wobei sich die Beklagten zu 1 und 2 verpflichtet haben, an die Klägerin 1.912,34 EUR zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.6.2011 zu bezahlen. Das entspricht einem Drittel der Klageforderung, wie sie in erster Instanz zugesprochen wurde. Der Beklagte zu 3 ist vom LG mit dem Urteil vom 14.2.2014 rechtskräftig zur Zah...