Leitsatz (amtlich)
1. Durch das Einschmelzen von Feinsilber wird keine neue bewegliche Sache i.S.v. § 950 Abs. 1 BGB hergestellt. Vielmehr liegt eine bloße Umformung vor.
2. Mit dem Zusammenschütten von Altsilberbeständen vor dem Einschmelzen liegt noch keine Vermengung i.S.v. § 948 Abs. 1 BGB vor, wenn das gestohlene Industriefeinsilber aufgrund der Pfützenform und größerer Platten sowie eines markanten Geruchs infolge von Kaliumcyanid ohne großen Aufwand vom übrigen Altsilber getrennt werden kann.
3. Durch das Einschmelzen werden die Silberplatten mit dem übrigen Altsilber untrennbar i.S.v. § 948 Abs. 1 BGB vermischt. Die einschmelzende Beklagte erwirbt daran Alleineigentum gem. §§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 2 BGB, wenn die gestohlenen Silberplatten der Klägerin nur einen kleinen Teil des eingeschmolzenen Altsilbers ausmachen. Beschränkt sich die einschmelzende Beklagte zur Gesamtmenge des ein-geschmolzenen Altsilbers auf allgemeine Angaben wie "große Menge" oder "mehrere Tonnen", muss die bestohlenen Klägerin den nach § 947 Abs. 2 BGB erforderlichen großen Mengenunterschied nicht mehr darlegen und beweisen.
Normenkette
BGB § 935 Abs. 1, § 947 Abs. 2, § 948 Abs. 1, § 950 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Rottweil (Urteil vom 12.06.2009; Aktenzeichen 4 O 11/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Rottweil vom 12.6.2009 (4 O 11/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit von 115 % bzgl. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 23.518,50 EUR
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Wertersatz, weil diese bei der Klägerin entwendete Silberpellets und Silberplatten angekauft, eingeschmolzen und weiterverkauft habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat der Klage stattgegeben, weil die Klägerin einen Ersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung habe. Für den Fall, dass die Beklagte durch das Einschmelzen des Silbers nicht Eigentümerin gem. § 950 BGB geworden sein sollte, ergebe sich der Anspruch der Klägerin jedenfalls aus § 816 Abs. 1 BGB. Aufgrund des Diebstahls des Silbers bei der Klägerin hätten weder die Beklagte noch die nachfolgenden Erwerber Eigentum an dem Silber erlangen können, § 935 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe daher nach dem Einschmelzen als Nichtberechtigte i.S.v. § 816 Abs. 1 BGB über das Eigentum am Silber verfügt. Diese Verfügung sei nachträglich wirksam geworden, weil in der Klage auf Zahlung des Werts des Silbers eine stillschweigende Genehmigung der Veräußerung durch die Klägerin als damalige Eigentümerin zu sehen sei. Die Beklagte könne gegen den Herausgabeanspruch der Klägerin nicht die Kosten des Erwerbs entgegenhalten.
Die Beklagte ist der Auffassung, es liege eine Überraschungsentscheidung des LG insoweit vor, als das Urteil auf § 816 BGB gestützt werde, während das Gericht noch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 951, 946 ff. BGB gegeben sei.
Es werde nach wie vor bestritten, dass das streitgegenständliche Silber aus einer industriellen Fertigung stamme und nur für diese benötigt werden könne. Es werde ausdrücklich nochmals bestritten, dass das streitgegenständliche Silber das bei der Klägerin gestohlene Silber sei, welches durch X verkauft worden sei.
Ein Anspruch nach § 816 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Denn die Beklagte habe das Silber verbraucht. Nach Einschmelzen sei das streitgegenständliche Silber nicht mehr vorhanden. Dies stelle keine Verfügung dar. Die Verfügung könne sich lediglich auf das Einschmelzen des Silbers beziehen, nicht auf die Weiterveräußerung. Im Übrigen finde nach dem Einschmelzen keine Weiterveräußerung statt. Das Silber werde nur innerhalb einer Unternehmensgruppe, bspw. zur Herstellung von entsprechenden Legierungen verwendet. Es liege keine Verfügung eines Nichtberechtigten vor, die dem Berechtigten gegenüber wirksam sei. Eine Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten sei nicht möglich, da ein Einschmelzen stattgefunden habe.
Vor dem Einschmelzen sei das Silber ohne weiteres trennbar. Da keine Vermischung nach den §§ 946 - 948 BGB vorliege, könne lediglich § 950 BGB für den Fall der Verarbeitung eingreifen. Hierfür sei jedoch Voraussetzung, dass ein Herstellen einer neuen beweglichen Sache erfolge. Dies liege bei Einschmelzung von Metall nicht vor.
Berufungsantrag der Beklagten:
das Urteil des LG Rottweil, 4. Zivilkammer, vom 12.6.2009 - 4 O 11/09 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Berufungsantrag der Klägerin:
Zurückweisung der Berufung.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass weder die Beklagte noch etwaige nachfolgende Käufer oder Weiterveräußerer Eigen...