Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwechslungsfähigkeit von Internet-Adressen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Name „Medi S Ärztlicher Praxisverbund Stuttgart GbR” und die Internet-Adresse „medi-s. de” als Port zu einem virtuellen Informationsdienst, der sich kritisch mit der aktuellen Gesundheitspolitik befasst, sind verwechslungsfähig.
2. Der Name „Medi S Ärztlicher Praxisverbund Stuttgart GbR” und der Titel „MEDI S Report” für eine periodische Berichterstattung, die sich mit der GbR befasst, sind verwechslungsfähig.
3. Der Name „Medi S Ärztlicher Praxisverbund Stuttgart GbR” und die Internet-Adresse „medi-report. de” als Port zu einem virtuellen Informationsdienst, der sich mit der aktuellen Gesundheitspolitik befasst, sind nicht verwechslungsfähig.
4. Zu den Voraussetzungen einer missbräuchlichen Domain-Anmeldung zum Zwecke der Behinderung.
5. Eine GbR verliert ihr einklagbares Namensrecht nicht dadurch, dass sie neben anderen Zielen auch solche verfolgt, die nach § 1 GWB zu beanstanden sind.
Normenkette
BGB §§ 12, 826; GWB § 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 11 KfH O 24/00) |
Tenor
1. Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Vorsitzenden der 11. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 27.6.2000 werden
zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 52.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch unwiderrufliche, unbefristete, unbedingte und selbstschuldnerische schriftliche Bürgschaft einer deutschen Bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 140.000 DM
Beschwer der Klägerin: über 60.000 DM
des Beklagten: 50.000 DM
Tatbestand
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht und aus Ermächtigung marken-, namens- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen den Beklagten wegen dessen Internet-Auftretens geltend. Der Beklagte ist ein psychologischer Psychotherapeut, der zugleich ein Systemhaus mit Namen A. betreibt, in welchem Software für Arztpraxen vertrieben wird.
Ärzte, so 2/3 aller niedergelassenen Stuttgarter Ärzte, gründeten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Effizienzsteigerung und Verzahnung ihrer Praxen, auch zur datentechnischen Vernetzung (Orginogramm Bl. 505, ferner B 14 = Bl. 109). Dieser Personenzusammenschluss lud am 9.11.1998 zu einer Gründungsversammlung eines
Praxisverbundes Medis
ein, bei welcher Tagesordnungspunkt u.a. war (K 3 = Bl. 14 = Bl. 347; vgl. auch Bl. 172):
1. Vorstellung des Praxisverbundes Stuttgart (Medis)…
Der Beklagte nahm an dieser Veranstaltung teil (vgl. K 4 = Bl. 15). Die Vertragsärztliche Vereinigung Nord-Württemberg wandte sich am 12.3.1999 (Bl. 185; vgl. auch Bl. 165, 346) an den Verbund mit einem Anschreiben
„an MEDI-S”
Dieser Vertragsärztlichen Vereinigung hatte der Beklagte im Januar 1999 vergeblich ein Angebot auf Gestellung der Software für den geplanten Ärzteverbund unterbreitet (vgl. K 5, K 6 = Bl. 16, 17). Am 18 5. 1999 ließ sich der Beklagte die Internet-Domain
medi-s.de
reservieren, am 19.5.1999 wurde sie ihm von der DE-NIC zugeteilt.
Zur Gesellschafterversammlung erfolgte am 25.5.1999 die Einladung (B 36 = Bl. 343) unter
MEDIS Ärztlicher Praxisverbund Stuttgarter GbR,
wobei das „I” im Auftaktwort in Form eines Schlangensymbols ausgebildet war. Im Fließtext dieser Einladung und auch der vom 2.6.1999 (B 37 = Bl. 342) und auch später in Schreiben, etwa im Jahre 2000 (vgl. Bl. 332), findet sich die Abkürzung in der Schreibweise
Medi-S
MEDI S
Am 16.6.1999 wurde der Verbund unter der Bezeichnung
Medi S Ärztlicher Praxisverbund Stuttgarter GbR
[im Folgenden kurz: GbR]
gegründet (Gesellschaftsvertrag B 63 = Bl. 553 bis 564). Mitglieder sind u.a. weitere Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die in ihrer Benennung mit „Medi” anheben und welche Städtebezeichnungen entsprechend der Abkürzung in Kfz-Kennzeichen beistellen (vgl. Bl. 68). Der Beklagte, der sich in die Gründungsversammlung eingeschlichen hatte, war des Saales verwiesen worden. Am 18.6.1999 brachte der Beklagte auf seiner Website einen MEDI Report heraus. Im Oktober 1999 ließ sich der Beklagte zudem die Domain
medi-report.de
reservieren. Auf sie wird von der nun ansonsten inhaltsleeren (vgl. Bl. 50) Domain medi-s. de direkt umgeleitet. Sie ist die Plattform (vgl. etwa B 49 = Bl. 314 bis 318), auf welcher der Beklagte einen Online-Report zur Förderung der Transparenz im deutschen Gesundheitsmarkt (vgl. Bl. 72) herausbringt, in dem er sich aber in großem Umfange und sehr kritisch mit der GbR als einem „Kartell gegen Krankenkassen und Patienten” (vgl. Bl. 77) auseinandergesetzt hat. Dabei ist die Ausrichtung dieses Praxisverbundes nicht zuletzt wegen der Gesellschafterstellung der Kassenärztlichen Vereinigung Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung und auch eines sozialgerichtlichen Verfahrens (B 58 = Bl. 473 bis 481).
Nach dem Vortrag der Par...