Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung des Bereicherungsanspruchs bei Rückabwicklung eines Versicherungsvertrages nach wirksam erhobenem Widerspruch (Anschluss an BGH, Urt. v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11).
Normenkette
VVG a.F. § 5a; BGB § 812
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.02.2014; Aktenzeichen 22 O 308/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Stuttgart - 22 O 308/13 - vom 14.2.2014 abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 4.098,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.8.2013 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3, von den Kosten zweiter Instanz trägt die Klägerin 17/20, die Beklagte 3/20.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: I. Instanz bis zu 26.000 EUR bis 7.1.2014
bis zu 22.000 EUR sodann.
II. Instanz bis zu 22.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin macht bereicherungsrechtliche Ansprüche auf verzinsliche Rückzahlung von Versicherungsprämien, hilfsweise Auskunftsansprüche und einen Anspruch auf Zahlung eines neuberechneten Rückkaufswertes geltend.
Mit Antrag vom 20.8.2004 (Anlage BLD 1) beantragte die Klägerin den Abschluss einer Rentenversicherung mit aufgeschobener lebenslanger Rentenzahlung und Recht auf vorgezogene Teilrenten bzw. Teilkapitalabfindung zu festgelegten Terminen, mit Kapitalleistung bei Tod vor Ablauf der Aufschubzeit und garantierter Mindestlaufzeit der Renten sowie mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der entsprechende Versicherungsschein vom 29.9.2004 (Anlage K 1 = GA I 23 ff.) sieht einen Versicherungbeginn am 1.10.2004, den Ablauf der Aufschubzeit am 30.9.2040 sowie einen Monatsbeitrag von 600 EUR vor. Ein Anteil der Überschussbeteiligung i.H.v. 31,52 EUR wird danach für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung verwendet. In einem auf den 29.9.2004 datierten Schreiben der Beklagten an die Klägerin (Anlage K 2 = GA I 29 f.) wird um Beachtung der "Wichtigen Hinweise auf der nächsten Seite" gebeten, die das Widerspruchsrecht betreffen. Auf Seite 2 findet sich der nachfolgende Text:
"Widerspruchsrecht
Wie Ihnen bereits auf Grund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."
Auf diesen Vertrag leistete die Klägerin Prämien bis zum 30.6.2012 i.H.v. insgesamt 29.587,75 EUR. Im Jahr 2008 war der Beitrag auf Wunsch der Klägerin auf 100 EUR reduziert worden (Anlagen BLD 5 - 7 = GA I 68 ff.), im Januar 2010 wurde die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus der Rentenpolice ausgenommen, so dass sich der Beitrag in der Folge auf 53,11 EUR belief (Anlagen BLD 11 f. = GA I 74 f.).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.5.2012 erklärte die Klägerin u.a. den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages (Anlage K 5 = GA I 44), was nochmals mit Schreiben vom 2.10.2012 wiederholt wurde (Anlage K 6 = GA I 45 ff-). Unter dem 12.6.2012 rechnete die Beklagte, die den Widerspruch als Kündigung deutete, den Vertrag ab und zahlte der Klägerin daraufhin 8.883,99 EUR aus (Anlage BLD 17 f. = GA I 80 f.). Im Oktober 2013 zahlte die Beklagte einen weiteren Betrag i.H.v. 6.815,43 EUR - 6.383,65 EUR nebst Zinsen - und erklärte dazu, dass zum 1.6.2008 ein Stornoabzug von 5.019,78 EUR und zum 1.7.2012 ein solcher von 810,24 EUR erfolgt sei (GA I 86 f.).
In erster Instanz hat die Klägerin geltend gemacht, der Versicherungsschein enthalte keine Widerspruchsbelehrung. Bei Antragstellung seien ihr die erforderlichen Unterlagen nicht übergeben worden, so dass der Vertrag nach dem damals gängigen Policenmodell zustande gekommen sei. Sie habe dem Abschluss des Vertrages nach § 5a VVG a.F. wirksam widersprochen. Hierzu sei sie zum einen berechtigt, weil das Policenmodell als solches europarechtswidrig sei; zum anderen habe die Frist des § 5a Abs. 2 VVG a.F. nicht zu laufen begonnen. Es fehle an einer drucktechnisch deutlichen Form der Widerspruchsbelehrung, die zudem inhaltlich nicht ordnungsgemäß sei. Die Frist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. komme wegen der Europarechtswidrigkeit dieser Regelung nicht zum Tragen. Das Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt; darin, dass der Widerspruch erst acht Jahre nach Vertragsschluss erklärt worden sei, liege auch keine Genehmigung.
Ihr stehe daher ein Herausgabeanspruch hinsichtlich der ohne Rechtsgrund gezahlten Prämien und auf Herausgabe der Nutzungen zu. Es sei davon auszugehen, dass die Versicherungsgesellschaften aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden eingesetzten Vermögen eine wesentlich höhere Rendite als marktüblich erzielten, so dass ein Zinssatz von 6,4436 Prozent angesetzt werde. Aus eigener Kenntnis könne sie keine Einzelheiten über den Umfang...