Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 30.08.2019; Aktenzeichen 4 O 439/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 30.08.2019, Az. 4 O 439/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ulm ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 22.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betrugs im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.
Der Kläger kaufte am 31. Juli 2017 bei der A. ... GmbH für 22.890,00 EUR ein gebrauchtes Kraftfahrzeug der Marke Audi A 6 Avant 2.0 TDI. Das Fahrzeug ist mit dem von der Beklagten hergestellten Motor EA 189 EU 5 ausgestattet. Es wurde erstmals am 20. Dezember 2013 zugelassen.
Das Fahrzeug ist von der Problematik betroffen, die in der Öffentlichkeit unter den Schlagworten "Abgasskandal" oder "Dieselskandal" diskutiert wird.
Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ, also unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr, wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.
Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Das KBA ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.
Im Jahr 2016 erließ das KBA für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp eine Freigabebestätigung, nach welcher ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen.
Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug am 11. November 2016, also vor Erwerb durch den Kläger, durchgeführt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Schadensersatz u.a. wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betrugs durch die Beklagte. Er verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung. Ferner erstrebt er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Ungeachtet des zweifelhaften Vorliegens der weiteren Anspruchsvoraussetzungen habe bei der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zwischen dem Kläger und der Verkäuferin der für einen deliktischen Anspruch erforderliche Vorsatz bei einem Repräsentanten der Beklagten im Sinne von § 31 BGB nicht vorgelegen. Durch die Mitteilung des Erfordernisses eines Software-Updates gegenüber dem Halter des streitgegenständlichen Fahrzeugs und die anschließende Durchführung desselben im November 2016 habe die Beklagte bzw. ihre Konzerntochter, die Audi AG, alles Erforderliche und Zumutbare getan, um die von ihr zunächst durch Implementierung der fraglichen Motorsteuerungssoftware im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs begangene Täuschung aus der Welt zu schaffen. Daher sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte auch noch im Juli 2017 die sittenwidrige Schädigung bzw. einen Vermögensschaden des Klägers als Käufer des Fahrzeugs billigend in Kauf genommen haben könnte. Auch eine Haftung nach § 831 BGB scheide aus.
Der Kläger könne auch nicht auf Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV Schadensersatz verlangen.
Ebenso wenig bestehe ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB. Ein Schadensersatzanspruch lasse sich auch nicht darauf stützen, dass im Zusammenhang mit dem Aufspielen des von der Beklagten angebotenen Software-Updates die Beklagte erneut falsche Tatsachen vorgetäuscht hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urte...