Leitsatz (amtlich)
1. Rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf deren Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und ohne Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, sind im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht umfasst.
2. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung oder eine Regelung im Anstellungsvertrag, die ein Wettbewerbsverbot des Gesellschafter-Geschäftsführers vorsieht, muss im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG ausgelegt werden; sie erfasst ihrem rechtlich unbedenklichen Sinn und Zweck nach, die Gesellschaft vor der Aushöhlung von innen her zu schützen, im Regelfall nicht den rein kapitalistischen Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einem Konkurrenzunternehmen und ist ggf. entsprechend einschränkend auszulegen.
3. Zu den Anforderungen an die Darlegung eines Schadens, der Wahrscheinlichkeit eines Schadens bzw. gezogenen Vorteilen, soweit Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft, Vorteilsherausgabe sowie ein Eintrittsrecht analog § 113 HGB auf den Verstoß gegen ein gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot gestützt werden
4. Einem Minderheitsgesellschafter stehen eigene Ansprüche aus der Verletzung eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots durch einen Mitgesellschafter nur dann zu, wenn er einen über den durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens im Wert seines Geschäftsanteils eingetretenen Reflexschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten hat.
5. Eine im Gesellschaftsvertrag enthaltene Klausel, wonach eine anlässlich des Ausscheidens eines Gesellschafters zu leistende Abfindung nach dem im sog. "Stuttgarter Verfahren" ermittelten Wert seines Anteils berechnet wird, ist grundsätzlich wirksam und für die Parteien verbindlich.
6. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Schiedsgutachten zur Ermittlung des Anteilswertes nach dem "Stuttgarter Verfahren" offenbar unrichtig im Sinne von § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist und welche Umstände bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren im Einzelnen zu berücksichtigen sind.
7. Eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung, die an eine Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren anknüpft, kann unanwendbar und der Abfindungsbetrag anzupassen sein, wenn der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ergebende Anteilswert vom tatsächlichen Verkehrswert des Anteils erheblich abweicht. Das gilt auch dann, wenn der tatsächliche Verkehrswert deutlich niedriger liegt als der nach Stuttgarter Verfahren ermittelte Anteilswert.
8. Zur Berechnung des tatsächlichen Wertes eines Gesellschaftsanteils auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens.
Normenkette
GWB § 1; BGB §§ 138, 319; ErbStR 2003 R 96 ff.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 30.12.2013; Aktenzeichen 34 O 58/10 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin Ziff. 1 hin wird das Urteil des LG Stuttgart v. 30.12.2013, Az. 34 O 58/10 KfH, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage wird die Klägerin Ziff. 1 verurteilt, an den Beklagten EUR 1.102.500,- nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils EUR 367.500,- seit 04.08.2010, 04.02.2011 und 04.08.2011 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
2. Die Berufungen der Klägerinnen im Übrigen sowie die Anschlussberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens werden wie folgt aufgeteilt:
Die Gerichtskosten tragen der Beklagte zu 12 %, die Klägerin Ziff. 2 zu 2,5 % und die Klägerin Ziff. 1 zu 85,5 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin Ziff. 2 zu 2,5 % Klägerin Ziff. 1 zu 85,5 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 1 trägt zu 12 % der Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 2 trägt zu 50 % der Beklagte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.927.800 EUR festgesetzt.
Gründe
I.1. Die Klägerinnen machen mit ihrer Klage Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend, die auf einen Verstoß des Beklagten - ehemaliger Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin Ziff. 1 - gegen ein insbesondere aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleitetes Wettbewerbsverbot gestützt werden.
Mit seiner Widerklage macht der Beklagte seinerseits Wettbewerbsverstöße der Klägerinnen geltend; darüber hinaus verlangt er von der Klägerin Ziff. 1 die Zahlung einer ihm infolge seines Ausscheidens als...