Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.11.2015; Aktenzeichen 3 O 201/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Stuttgart vom 20.11.2015 (Az. 3 O 201/15) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.366,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2015 sowie weitere 4.781,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.04.2015 zu bezahlen
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Streitwert in beiden Instanzen: 5.366,90 EUR.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache weitgehend Erfolg.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Deckung hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Abwehr der gegen die Klägerin vor dem LG München I erhobenen Ansprüche aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag über eine Betriebshaftpflichtversicherung zu.
a. Gemäß Ziff. I 1.1, 3.1.1 der dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB; Anl. K 1) i.V.m. Ziff. I der Besonderen Bedingungen und Erläuterungen zur Haftpflichtversicherung von Betrieben des produzierenden Gewerbes/der Industrie (RBE; Anl. K 1) ist die gesetzliche Haftpflicht aus den im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken des Versicherungsnehmers aus dessen Betrieb versichert.
Hier liegt sowohl ein vom Versicherungsschutz umfasster Anspruch als auch ein versichertes Risiko vor.
aa. Die Klägerin wird vom vor dem LG München I auf Zahlung von 793.636,53 EUR mit der Behauptung in Anspruch genommen, die seitens der Klägerin zur Ausführung der gemäß Ziff. 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses (Anl. K 6) geschuldeten Fassadeneinmessungsarbeiten als Subunternehmerin eingesetzte GbR habe das Flachdach eines anderen, ebenfalls im Eigentum des stehenden Gebäudes beschädigt.
Hierbei handelt es sich um einen vom Versicherungsschutz umfassten Anspruch. Ein Ausschluss gemäß Ziff. I 1.2.1 AHB besteht nicht. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Der Ausschluss gemäß Ziff. I 1.2 AHB erfasst nicht Schäden, die über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, etwa weil sie wegen mangelhafter Leistung an anderen Rechtsgütern des Vertragspartners des Versicherungsnehmers oder eines Dritten entstanden sind (vgl. BGHZ 43, 88; Prölss/Martin: VVG. 29. Aufl. 2015. Ziff. 1 AHB Rn. 48). Da das angeblich beschädigte Flachdach nicht zu dem vom Auftrag der Klägerin umfassten Gebäude gehörte, liegt eine Beschädigung des sonstigen Eigentums der Auftraggeberin bei der Ausführung des Bauvertrages vor, weshalb eine Haftung auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 BGB bzw. aus § 831 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Gemäß Ziff. III 1.11 RBE ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus der Beauftragung von Subunternehmern mitversichert.
bb. Die als schadensursächlich behaupteten Vermessungsarbeiten stellen auch ein versichertes Risiko dar.
aaa. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH VersR 2016, 45; ständige Rechtsprechung).
Das versicherte Risiko einer Betriebshaftpflichtversicherung bilden grds. nur die im Versicherungsschein angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnisse oder Tätigkeiten des Versicherungsnehmers. In den Schutzbereich fallen insoweit alle Tätigkeiten, die in innerem ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Betrieb stehen, wenn das zu deckende Wagnis betriebsbezogen ist (vgl. BGH VersR 1987, 1181; OLG München VersR 1982, 665; Prölss/Martin a.a.O. Ziff. 3 - 7.1.1 BetrH AT Rn. 3). Zu berücksichtigen ist, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der seine betriebliche Tätigkeit gegen Haftpflichtrisiken versichert, mit seinem Versicherungsantrag regelmäßig zum Ausdruck bringen will, dass nicht ein bestimmtes Berufsbild oder Betriebsmodell unabhängig von seiner tatsächlichen Ausgestaltung versichert werden soll, sondern seine gewöhnliche Tätigkeit bzw. sein realer Betrieb (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2010, 1589).
bbb. Im Ve...