Leitsatz (amtlich)
Formularmäßige Bestimmungen eines Bauvertrags, die in ihrem Zusammenwirken zur Folge haben, dass der Auftraggeber für einen nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahme, welche ihrerseits bereits an strengere Anforderungen als die bloße Abnahmereife geknüpft wird, - neben einer Sicherheit von 5 % der Schlussrechnungssumme für Mängelansprüche sowie seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB - eine zuvor gestellte Erfüllungssicherheit auch für Mängelansprüche bis zur Vorlage einer "prüffähigen" Schlussrechnung vollständig und danach noch im Umfang des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel (teilweise) einbehalten kann, führen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 1, §§ 765, 768, 821
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 04.04.2023; Aktenzeichen 47 O 611/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 406.097,00 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Bestimmungen zur Gestellung von Sicherheiten in einem Bauvertrag über die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens "K. C.", bestehend aus zwei Gebäuden mit insgesamt 52 Wohnungen, Freianlagen und Tiefgarage in der K.straße in K.-N.. Die Beklagten werden hierbei als Bürgen der zwischenzeitlich insolventen Generalunternehmerin Z. GmbH von der Klägerin (Bestellerin/Auftraggeberin) auf Zahlung von insgesamt 406.097,00 EUR in Anspruch genommen.
Der zwischen der Klägerin und der Z. GmbH am 23.03.2016 geschlossene "Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell" (Anlage K 1 - nachfolgend "GU-Vertrag", auf CD-ROM [wie alle Anlagen K 1 bis K 53]) enthält u.a. die folgenden Bestimmungen (wobei AN = Auftragnehmer/Z. GmbH, AG = Auftraggeber/Klägerin):
"§ 2 Vertragsgrundlagen
Der AN hat seine Leistungen aufgrund folgender Vertragsgrundlagen zu erbringen:
2.1 dieser Vertrag,
(...)
2.3 Für Bauleistungen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung. (...)
(...)
2.8 lm Falle von Widersprüchen zwischen den Vertragsgrundlagen hat diejenige Angabe Gültigkeit, die zu einer höherwertigeren Ausführung des Bauvorhabens führen wird. lst der Widerspruch hierdurch nicht aufzulösen, sind die erforderlichen Angaben dem Referenzobjekt (§ 3.8.1 dieses Vertrages) zu entnehmen. Sind aus dem Referenzobjekt keine Vorgaben ableitbar, gehen zeichnerische Angaben den textlichen vor. Soweit hierdurch der Widerspruch noch nicht gelöst wird, geht die vorstehend oder in der Auflistung in Anlage 2.2 zuerst genannte Vertragsgrundlage der später genannten Vertragsgrundlage vor.
(...)
§ 10 Zahlungen und Abrechnung
10.1 Für seine Leistungen erhält der AN zunächst Abschlagszahlungen nach Maßgabe des ggf. wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen anzupassenden Zahlungsplans (Anlage 2.2 [___]). Die Höhe der jeweiligen Zahlung richtet sich nach dem tatsächlichen Leistungsstand, wobei jeweils 90 % des Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen zur Auszahlung gelangen. Der Sicherheitseinbehalt ist durch Erfüllungsbürgschaft eines deutschen Kreditinstituts oder eines deutschen Kreditversicherers gem. Muster AG ablösbar.
(...)
10.4. Alle Abschlagszahlungen sind, zuzüglich Mehrwertsteuer, [ 15 ] WERK-Tage nach Eingang einer prüffähigen Abschlagsrechnung fällig.
10.5 Die Schlusszahlungen erfolgt, ggfs. abzüglich des nachfolgend in § 13.3 dieses Vertrages bestimmten Einbehalts für Mängelansprüche in Höhe von 5 %, innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme und Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung.
(...)
§ 11 Abnahme der Leistungen des AN
11.1 Alle Leistungen des AN nach § 3 dieses Vertrages sind förmlich abzunehmen. Eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sowie eine Abnahme durch Ingebrauchnahme sind ausgeschlossen. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB bleibt unberührt. Teilabnahmen sind ausgeschlossen.
11.2 Der AN hat die vollständige Fertigstellung der ihm nach Maßgabe dieses Vertrages übertragenen Leistungen schriftlich anzuzeigen und die Abnahme der Leistungen zu beantragen. Eine Abnahmebegehung zur Erlangung der förmlichen Abnahme der dem AN übertragenen Leistungen hat innerhalb von 20 Werktagen nach Zugang der Anzeige beim AG zu erfolgen. Mit dem Abnahmeverlangen hat der AN dem AG folgende Unterlagen zu übergeben.
(1) Nach...