Leitsatz (amtlich)
1. Zur irreführenden Werbung mit dem Begriff "schadstofffrei" für eine Matratze.
2. Der Verbraucher versteht die Werbung mit dem Begriff "schadstofffrei" dahingehend, dass die beworbene Ware überhaupt keinen Schadstoff enthalte, also keinen einzigen Stoff, der abstrakt geignet sei, ihn zu schädigen. Die Werbeaussage ist daher auch dann irreführend, wenn die Ware Schadstoffe nur in einer Konzentration enthält, die gesetzliche Grenzwerte oder Vorgaben privater Institutionen, wie etwa nach dem "OEKO-TEX Standard 100", nicht überschreitet oder von Fachkreisen als vernachlässigenswert angesehen wird.
3. Die Werbung mit Aussagen der STIFTUNG WARENTEST zur Schadstofffreiheit ist irreführend, wenn dem Verbraucher die Vorstellung vermittelt wird, diese habe eine umfasssende Schadstoffprüfung vorgenommen, obwohl tatsächlich das Vorhandensein bestimmter Schadstoffe nicht überprüft wurde.
Normenkette
UWG §§ 5, 8
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 17.01.2018; Aktenzeichen 40 O 36/17 KfH) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 40. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2018 (Az.: 40 O 36/17 KfH) in den Ziffern 2 und 3 des Tenors sowie im Kostenpunkt a b g e ä n d e r t und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt n e u g e f a s s t:
1. Ziffer 2 entfällt ersatzlos.
2. In Ziffer 3 entfallen die Wörter "und/oder 2".
II. Die Berufung der Klägerin gegen das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4, von den Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.
IV. Dieses Urteil und das landgerichtliche Urteil gemäß Tenor Ziffer I. sind vorläufig vollstreckbar.
Jeder der Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sich aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120% des gegen sie vollstreckbaren Kostenbetrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungsgebot in Bezug auf jede verbotene Handlung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- EUR abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert
für den ersten Rechtszug:
128.000,- EUR
Für das Berufungsverfahren: 144.000,- EUR
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Unterlassung aus Lauterkeitsrecht.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 40. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2018 (Az.: 40 O 36/17 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage, sie im Übrigen abweisend, überwiegend - wie nachfolgend wiedergegeben - stattgegeben:
((Abbildungen))
Es führt hierzu aus:
Die Klageanträge Ziffer 1 a) und 1 b) seien gegen die konkrete Verletzungsform, wie in den Insbesondere-Sätzen wiedergegeben, begründet, im Übrigen unbegründet. Der Hilfsantrag zum Antrag Ziffer 1 b sei insoweit begründet.
Die Beklagte dürfe die Aussage der S. zur Schadstofffreiheit der Matratze übernehmen, wenn sie sie als solche kennzeichne und die Fundstelle angebe. Der Untersuchungsbefund und das Testurteil der S. (B 1) laute:
"Kein Schadstoff in der Matratze.
Schadstoffe im Matratzenmaterial, wie Weichmacher, Flammschutzmittel oder Pestizide fanden die Prüfer nicht. Die B.-Matratze ist sauber".
Die Beklagte habe mit der in den Klageanträgen 1 a) und b) angeführten konkreten Verletzungsform diese Vorgaben nicht erfüllt. Als allgemeine (eigene) Aussage der Beklagten sei die Benutzung des Wortes "schadstofffrei" wegen des Vorkommens des als potentiell krebserregend anerkannten Stoffes Antimon in dem Matratzenmaterial, auch wenn diskutierte Grenzwerte unterschritten seien, gemäß § 5 UWG irreführend. Ein erheblicher Teil des Verkehrs verstehe die Aussage dahin, dass gefährdende Materialien in der Matratze überhaupt nicht vorkämen. Bei dieser Aussage komme es auf Grenzwerte nicht an. Die Schadstofffreiheit sei für den Verbraucher bei Matratzen wichtig. Bei gesundheitsbezogenen Angaben sei höchste Genauigkeit geboten. Die Matratze entspreche nach den von der Beklagten veranlassten Untersuchungen nicht der Anpreisung. Schon ohne Zusätze sei der Begriff schadstofffrei nicht auf eine DIN oder einen Grenzwert bezogen. Sie halte den Verbraucher davon ab, sich nach einem Alternativprodukt umzusehen. Die Beklagte verspreche sich diesen Vorteil aus ihrer Werbung.
Der Eindruck, den der Test selbst vermittele, dürfe nicht durch missverständliche oder unklare Behauptungen des Werbenden angereichert werden.
Solange die S. keinen Prüfbedarf in Bezug auf Antimon und Flammschutzmittel sehe, dürfe unter Hinweis auf ihren Test geworben werden, wenn keine objektiv falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt werde. Die Beklagte mache das T...