Entscheidungsstichwort (Thema)

Formwirksamkeit eines Testamens

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Erbunwürdigkeit bei Testamentsfälschung.

 

Normenkette

BGB § 2339

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 02.09.1997; Aktenzeichen 9 O 504/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 2.9.1997 (Aktenzeichen: 9 O 504/96) wird

zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,– DM abwenden, es sei denn, die Kläger leisten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe.

4. Streitwert der Berufung und Beschwer der Beklagten:

1.070.000,– DM.

 

Tatbestand

Die Kläger machen mit der vorliegenden Anfechtungsklage die Erbunwürdigkeit der Beklagten als Erbin ihres am 5.7.1995 verstorbenen Ehemannes Dr. … geltend. Die Beklagte war die zweite Ehefrau des kinderlosen Erblassers, der sie am 3.5.1989 geheiratet hatte. – Der Erblasser, geboren am 24.4.1913, hatte im Spätsommer 1988 einen Schlaganfall erlitten. Ein Pflegschaftsverfahren wurde nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens (Bl. 24) am 18.5.1989 aufgehoben. – Die Kläger Ziff. 1 und 2 sind Neffe und Nichte, die Klägerin Ziff. 3 ist die Schwester des Erblassers.

Am 14.9.1995 hatte die Beklagte dem Nachlaßgericht Weil der Stadt ein mit Datum vom 15.5.1989 versehenes gemeinschaftliches Testament vorgelegt (Orginal in den Akten des Nachlaßgerichtes Weil der Stadt GRN 1995 – Nr. 207 NA 4357, in Zukunft abgekürzt: N, Bl. 24). Das Testament ist – unstreitig – von ihr geschrieben und auch unterschrieben. Im Zuge des Erbscheinsverfahrens hatte der Kläger Ziff. 1 die Echtheit der Unterschriften des Erblassers mit dem Namenszug „Dr. …” auf sämtlichen 6 Testamentsseiten angezweifelt.

Die Beklagte hatte mit Schriftsatz vom 3.1.1996 (N 44) ein – nach ihrer Darstellung – überraschend aufgetauchtes weiteres Testament des Erblassers, datiert vom 14.2.1989 (N 46) vorlegen lassen. Nach dessen Inhalt war sie als Alleinerbin eingesetzt. Die Echtheit dieses Testaments ist nicht (mehr) bestritten.

Sie hatte zum gemeinschaftlichen Testament vortragen lassen, das Testament sei am 15.5.1989 errichtet worden. Der Erblasser habe jede Seite des Testaments eigenhändig unterschrieben, um „die Echtheit und Ernsthaftigkeit seiner Anordnungen zusätzlich zu bekräftigen”.

Weiter hatte sie vortragen lassen:

„Herr Dr. … war allerdings aufgrund des zuvor erlittenen Schlaganfalls bei der Fertigung eigenhändiger Schriftstücke in seiner Schreibmotorik etwas behindert. Das erklärt das möglicherweise ein wenig „unsichere und nicht ganz einheitliche Schriftbild der Namenszeichnungen.”

„Herr Dr. … war damit aber nicht rechtlich unfähig, ein Testament zu errichten, sondern allenfalls in der gegenständlichen Umsetzung seines Testierwillens tatsächlich geringfügig behindert.”

Das im Erbscheinsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. C. vom 26.8.1996 (N 82) war zu dem Ergebnis gekommen, daß die Unterschriften auf sämtlichen Testamentsseiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Fälschungen seien. In nahezu allen graphischen Grundkomponenten bestünden Abweichungen zur Zeichnungsweise des Erblassers (S. 69 d. Gutachtens). Ursächlich hierfür könnten nicht alters- bzw. krankheitsbedingte oder situative Einflüsse sein, da die vorliegenden Schreibleistungen über weite Passagen einen ungestörten Bewegungsablauf aufwiesen.

Außerdem könne es nicht zutreffen, daß das Testament am 15.5.1989 verfaßt worden sei, da die S. 4 und 5 Durchdrücke eines Briefes aufwiesen, der das Datum vom 28.8.1991 trage und mit „Hallo S.” beginne.

Nach der Mitteilung dieses Gutachtens haben die Kläger mit Schriftsatz vom 11.11.1989 (an diesem Tag auch bei Gericht eingereicht) Anfechtungsklage erhoben.

Sie haben die Auffassung vertreten, aufgrund der – nachgewiesenen – Fälschung sei die Beklagte (nach § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB) erbunwürdig. Sie habe eine falsche Urkunde hergestellt oder, wenn sie nicht selbst Urheberin der Unterschriften sei, in Kenntnis der Fälschung von dieser durch Vorlage beim Nachlaßgericht Gebrauch gemacht.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte als Erbin des Herrn Dr. … geboren am 24.4.1913, verstorben am 5.7.1995, für erbunwürdig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sämtliche Unterschriften auf dem gemeinschaftlichen Testament stammten vom Erblasser.

Die vom Sachverständigen festgestellten Abweichungen (gegenüber den Vergleichsunterschriften) seien ohne weiteres durch die Krankheit des Erblassers, die zu Störungen in der Schreibmotorik geführt habe, erklärbar. Dieser habe sich aufgrund des parkinsonistischen Tremors körperlich geschwächt gefühlt und im Schreibarm kraftlos. Deshalb habe er sie gebeten, ihm ein wenig bei der Leistung der Unterschrift behilflich zu sein und/oder seine Schreibhand zu stützen. Diesem Wunsch sei sie nachgekommen. Dabei sei die Schreibhand von ihrem ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?