Leitsatz (amtlich)

Nur ein Schriftgutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass eine Schrift "mit Sicherheit" von einer bestimmten Person stammt, kann ohne weitere Beweisanzeichen Grundlage einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung sein, also allein den vollen Beweis für eine Erbunwürdigkeit nach § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB erbringen. Jedenfalls eine sachverständige Bewertung "mit hoher Wahrscheinlichkeit" vermag den Vollbeweis hierfür nicht zu erbringen, ohne dass durchgreifende starke Beweisanzeichen für eine Täterschaft feststellbar hinzutreten.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 18.01.2019; Aktenzeichen 5 O 319/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Januar 2019 verkündete Einzelrichterurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:

Das Landgericht hat die Beklagte auf die Anfechtungsklage hin für erbunwürdig für den Erbfall nach L. R. erklärt und zur Begründung ausgeführt, dass die Anfechtung innerhalb der Jahresfrist des § 2082 BGB mit Schriftsatz vom 21. August 2015 erfolgt sei, denn die Klägerin habe zuverlässige Kenntnis von den Anfechtungstatsachen frühestens mit dem von ihr eingeholten Gutachten des Sachverständigen Sch. vom 24. August 2014 gehabt. Die Klägerin sei auch anfechtungsberechtigt gemäß § 2341 BGB, denn sie wäre bei Wegfall der Beklagten als Erbin Alleinerbin des Erblassers. Da unstreitig sei, dass das Testament nicht vom Erblasser selbst geschrieben worden sei, sei es formunwirksam, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, wonach der Erblasser zu gleichen Teilen von seiner Mutter - ihr nachfolgend die Klägerin - und der Beklagten beerbt worden sei.

Die Beklagte sei erbunwürdig gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB, da sie eine Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB begangen habe, weil sie das Testament vom 27. Januar 2003 selbst geschrieben, unterschrieben und mit der Unterschrift ihres Ehemannes versehen habe. Die Kammer stütze ihre Überzeugung auf das Gutachten der Sachverständigen N. vom 15. März 2018, wonach die Zeilen 1 bis 6 des gemeinschaftlichen Testaments mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht von dem Erblasser stammten, sondern dass diese Schreibleistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Beklagten geschrieben seien. Die Sachverständige habe die Schreibleistungen der Beklagten mit den streitigen Schreibleistungen im Testament verglichen sowie im Anhang visualisiert und durchgehend Übereinstimmungen festgestellt. Sie habe gut nachvollziehbare und überzeugende Ausführungen zu den Abbildungen der Schreibleistungen gemacht. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsaussagen müsse die Bewertung "mit hoher Wahrscheinlichkeit" - so die Sachverständige - mehr in Richtung der fünften Stufe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" als in Richtung der ersten Stufe "non liquet" eingestuft werden. Das Gutachten der Sachverständigen N. sei ausführlich, plausibel und überzeugend. Sie habe ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2018 nochmals nachvollziehbar erläutert und alle Nachfragen der Beklagten so beantwortet, dass für die Kammer keine Zweifel hinsichtlich Güte und Verwertbarkeit des Gutachtens bestünden.

Auch die von der Beklagten mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 2. November 2018 erhobenen Einwendungen verfingen nicht. Soweit sie das Gutachten der Sachverständigen N. durch neue Stellungnahmen von drei weiteren Sachverständigen angreife, sei sie mit diesem Vortrag gemäß § 296 Abs. 1 und 2 ZPO ausgeschlossen, jedenfalls soweit sie die Fortsetzung der Beweisaufnahme begehre, weil dies zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen würde, nachdem über die Einwendungen der Beklagten am 6. September 2018 bereits die Anhörung der Sachverständigen durchgeführt worden sei. Auch habe dort ausreichend Gelegenheit bestanden, der Sachverständigen Fragen zu ihrem schriftlichen Gutachten zu stellen. Die Beklagte hätte sich bei der Anhörung sachverständig beraten lassen können. Der Beklagtenvertreter habe zahlreiche Fragen gestellt, die die Sachverständige auch beantwortet habe. Den Parteien sei sodann am Ende der mündlichen Verhandlung unter Fristsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme gegeben worden. Dieser Schriftsatznachlass habe aber nicht dazu gedient, neue Einwendungen gegen das schriftliche Gutachten zu erheben, soweit diese in der Anhörung der Sachverständ...

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