Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbandsklagbefugnis, Abkürzung der Verjährungsfrist in AGB. AGB-Kontrollklage
Leitsatz (amtlich)
Gegen die Klage eines Verbands nach § 13 II AGBG kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, die angegriffene AGB-Klausel sei auch in seinem Namen genehmigt worden.
Eine Klausel in AGB für Werkverträge über Innenausbaumaßnabmen, die die Verjährung von Ansprüchen auf Ersatz von Mangelfolgeschäden auf sechs Monate, bei Bauwerken auf fünf Jahre verkürzt, ist nach § 9 AGBG unwirksam.
Normenkette
AGBG §§ 9, 13; BGB § 195
Beteiligte
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 20 O 202/99) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 30.9.1999 wird
zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Beklagten: 5.000,00 DM.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Verband i. S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, nimmt den Beklagten auf Unterlassung einer Klausel in dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch; die streitgegenständliche Klausel ist wörtlich wiedergegeben im nachstehend abgedruckten erstinstanzlichen Unterlassungsantrag der Klägerin.
Der Beklagte, der ein Unternehmen für Innenausbau betreibt, verwendet die angegriffene Klausel (Muster: Vertragsangebot vom 11.01.1999 – Anl. K 1).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die unter Ziff. 4 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Verjährungsregelung für Mangelfolgeschäden verstoße gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Denn bei kundenfeindlichster Auslegung erfasse die Klausel auch Schadensersatzansprüche wegen Mangelfolgeschäden aus positiver Vertragsverletzung. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterfalle die Verjährung dieser Ansprüche jedoch § 195 BGB. Die in der Klausel vorgesehene kürzere Verjährungsfrist sei in diesen Fällen mit einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren.
Nach vergeblicher Abmahnung hat die Klägerin den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen mit folgendem Antrag:
1. Dem Beklagten wird untersagt, die nachstehende oder eine inhaltsgleiche Klausel in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Werkverträgen über Innenausbaumaßnahmen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen, ausgenommen Verträge mit einem Unternehmer i. S. von § 24 Nr. 1 AGBG, mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder mit einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen:
Ansprüche auf Ersatz von Schäden, die nicht an dem Liefergegenstand oder dem Werk selbst entstanden sind (Mangelfolgeschäden) verjähren in sechs Monaten, bei Bauwerken in fünf Jahren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat dies damit begründet, ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG liege allein schon deshalb nicht vor, weil die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für entferntere Mangelfolgeschäden nicht auf gesetzlicher Regelung, sondern Richterrecht beruhe.
Im Übrigen benachteilige die Klausel seine Vertragspartner nicht unangemessen. Vielmehr sei es sachgerecht, die übermäßig lange Verjährungsfrist des § 195 BGB angemessen zu verkürzen, d. h. auf die in § 638 BGB für konkurrierende oder korrespondierende vertragliche Ansprüche vorgesehenen Verjährungsfristen von sechs Monaten bzw. fünf Jahren. Bestätigt werde dieses Ergebnis dadurch, dass im Kaufrecht Ansprüche aus PVV, gerichtet auf Ersatz von Mangelfolgeschäden, nach der Rechtsprechung des BGH ebenfalls nur der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB unterlägen.
DasLandgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
Die beanstandete Klausel weiche nämlich von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und sei deshalb gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
Prüfungsmaßstab seien auch die von Rechtsprechung und Rechtsliteratur im Wege von Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung erarbeiteten Rechtssätze. Dazu gehöre auch die Unterscheidung zwischen nahen und entfernten Mangelfolgeschäden. Sie dienten in erster Linie dazu, auf entfernte Mangelfolgeschäden die als unangemessen kurz empfundenen Verjährungsfristen des § 638 BGB nicht anwenden zu müssen. Die streitgegenständliche Klausel ebne diese – im Interesse der Gerechtigkeit vorgenommene – Unterscheidung wieder ein und verstoße deshalb gegen deren wesentlichen Grundgedanken. Anerkennenswerte Interessen des Beklagten für die in der angegriffenen Klausel vorgenommene Verkürzung der Verjährungsfristen für entfernte Mangelfolgeschäden seien nicht erkennbar. Umgekehrt sei gerade im Bauhandwerk die Gefahr überdurchschnittlich groß, dass es erst nach Ablauf der Verjährungsfristen des § 638 BGB zu solchen entfernten Mangelfolgeschäden komme. Die auf die beanstandete Klausel gestützte Verjährungseinrede nehme den Vertragspartnern des Beklagten in diesen relativ häufigen Fällen aber die Möglichkeit, ihre Ersatzansprüche durchzusetzen, ohne dass dies der ...