Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 16.10.2000; Aktenzeichen 4 KfH O 83/00) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.10.2000 – 4 KfH O 83/00 – wird
zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.10.2000 – 4 KfH O 83/00 –
abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in vorformulierten Verträgen betreffend Gewährleistungsbürgschaften zur Ablösung des vertraglichen Sicherheitseinbehalts im Rahmen von Bauleistungsverträgen sowie in vorformulierten Verträgen betreffend die Vergabe von Bauleistungen eine der nachfolgenden Klauseln wortgleich oder inhaltsgleich zu verwenden:
- „Die Bürgschaft dient auch zur Deckung im Falle der Inanspruchnahme des Auftraggebers für Sozial-/Unfallversicherungsbeiträge und andere Beiträge gem. SGB und im Falle der Inanspruchnahme durch das Finanzamt oder die Inanspruchnahme durch Arbeitnehmer auf Zahlung des Mindestlohnes sowie der Urlaubskasse auf Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz oder durch andere Stellen im Falle der fehlenden Zahlung des Auftragnehmers sowie zur Abdeckung etwaiger Forderungen von Dritten, wenn letztere Inanspruchnahme auf das Verhalten des Auftragnehmers zurückzuführen ist.”
- „Für die Dauer der Gewährleistungszeit (s.c. § 11 Ziff. 1 der AGB: Die Gewährleistungsfrist beträgt 5 Jahre) ist ein Gewährleistungsbareinbehalt in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme vereinbart. Der Auftragnehmer kann den Sicherungsbareinbehalt durch selbstschuldnerische, unbefristete und nach Vorschrift des Aufraggebers ausgestellte Bankbürgschaft ersetzen.”
- Der Beklagten wird für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an einem ihrer Geschäftsführer, angedroht.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 315,65 DM zzgl. 4 % Zinsen seit 19.07.2000 zu bezahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000,– DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Streitwert der Berufung: |
bis DM 10.000,– |
Streitwert der Anschlußberufung: |
DM 2.000,–. |
Tatbestand
Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen und verwendet beim Abschluß von Bauverträgen vorformulierte Verträge mit AGB, die Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften vorsehen, die u.a. eine Erstreckung der Haftung des Bürgen auf die Inanspruchnahme des Auftraggebers nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz vorsehen. Im Zusammenhang damit verwendet die Beklagte entsprechende Bürgschaftsformulare.
Die Klägerin, die Z. z. B. u. W. e.V., verlangt von der Beklagten Unterlassung der Verwendung des jeweils aus den Klaganträgen ersichtlichen Bürgschafts- und Klauseltextes in ihren AGB. Weiter verlangt sie Zahlung einer Kostenpauschale für die vorgerichtliche Abmahnung.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Klauseln seien wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.
Zu dem von der Klägerin vorgelegten, mit dem Hauptantrag Ziff. 1 a beanstandeten Bürgschaftstext, dessen Verwendung die Beklagte bestreitet, hat sie ausgeführt, die von der vorformulierten Gewährleistungsbürgschaftserklärung mitumfaßte Absicherung der Beklagten für Sozial-Unfallversicherungsbeiträge bis einschließlich Zahlungen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) sei völlig sachfremd. Auch der weitere Inhalt, durch andere amtliche Stellen im Fall der fehlenden Zahlung des Auftragnehmers sowie zur Abdeckung etwaiger Förderungen von Dritten, wenn letztere Inanspruchnahme auf das Verhalten des Auftragnehmers zurückzuführen ist, sei nicht nur sachfremd, sondern verstoße auch gegen das Transparenzgebot. Dem Verwender verblieben hier ungerechtfertigte nicht nachprüfbare Beurteilungsspielräume.
Zum Beweis dafür, daß die Beklagte das im Hauptantrag Ziff. 1 a entsprechende Bürgschaftsformular verwende, hat die Klägerin ein Blankoformular vorgelegt und vorgetragen, ihr liege eine solche Bürgschaft, ausgefüllt mit der Bezeichnung des Bauvorhabens, der Auftragsnummer, der Bezeichnung des Gewerks, der bürgenden Bank sowie der Bürgschaftssumme vor. Das Formular sei von der bürgenden Bank unterzeichnet. Diese weigere sich jedoch, dieses Schriftstück zu den Akten zu reichen, da dann der Auftragnehmer ersichtlich sei und dieser Gefahr laufe, nie wieder einen Auftrag von der Beklagten zu erhalten.
Aber auch das von der Beklagten zugestandenermaßen verwendete Bürgschaftsformular (vgl. Bl. 40 d.A.), dessen Verwendung sie hilfsweise untersagt begehrt, verstoße ebenfalls gegen § 9 AGBG.
Die Abwälzung des Haftungsrisikos aus dem AEntG unter dem Deckmantel der Gewährleistungsbürgschaft sei sachfremd, insbesondere betreffe diese Haftung materiell die Vertragserfüllung...