Leitsatz (amtlich)
Die unterbliebene Zustellung von Anlagen zur Klage. steht der Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses jedenfalls dann nicht entgegen und berührt die Zustellung der Klage nicht, wenn die Anlagen dem Beklagten ohnehin bekannt sind und auch dann nicht, wenn aufgrund des vorprozessualen Sachstandes das Informationsbedürfnis des Beklagten durch die fehlenden Anlagen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Ein auf der Grundlage einer solchen Klage - nach Klagzustellung gem. §§ 183, 184 ZPO - ergangenes Versäumnisurteil, das ordnungsgemäß im Wege der Aufgabe zur Post im Ausland zugestellt wurde, wird daher unanfechtbar und rechtskräftig, wenn nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt wird.
Normenkette
ZPO §§ 131, 183-184, 253, 335 Abs. 1 S. 3, § 339 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 02.07.2010; Aktenzeichen 25 O 573/08) |
LG Stuttgart (Urteil vom 01.07.2010; Aktenzeichen 25 O 573/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 25. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 01.07/2.7.2010 - Geschäftsnummer: 25 O 573/08 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 651.652,88 EUR
Gründe
I. Die Klägerin beansprucht von den beiden in China ansässigen Beklagten aus einem Kooperationsvertrag vom 15.7.2005 (K 1), mit dem die Produkte der Beklagten Ziff. 1, eines Maschinenbauunternehmens, das u.a. Drehmaschinen produziert, auf dem deutschen Markt vertrieben werden sollten, Ersatz entgangenen Gewinns wegen Nichtbelieferung nach erfolgter Bestellung i.H.v. 423.634,36 EUR. Daneben werden Mängelbeseitigungskosten bzgl. gelieferter Maschinen i.H.v. 190.940 EUR geltend gemacht. Weiter verlangt die Klägerin Erstattung der Aufwendungen für die Beseitigung von Mängeln bei Endkunden i.H.v. 37.078, 52 EUR (s. Rechnung vom 15.3.2006, K 28). Die Auslandsgeschäfte werden durch die Beklagte Ziff. 2 als Tochter bzw. Abteilung der Beklagten Ziff. 1 abgewickelt. Unstreitig ist die Zusammenarbeit im Mai 2006 beendet worden.
Der entsprechenden Klage ist ein Leitzordner mit den Anlagen K 1 - 29 beigefügt. K 2 bis K 20 betreffen Maschinenbestellungen ("intention of order") aus dem Zeitraum April 2005 bis Dezember 2005 in einem Gesamtwert von 1.566.430 US-Dollar. Mit K 21 legt die Klägerin beispielhaft ein Gutachten der D. zu einer gelieferten Spitzendrehmaschine vor, in dem der Sachverständige Mängel an den Gussflächen und an der Lackierung bestätigt. Mit K 22 bis K 27 legt die Klägerin Rechnungen aus dem Zeitraum 20.12.2005 bis 15.4.2006 vor, mit denen sie gegenüber der Beklagten Ziff. 1 Mängelbeseitigungskosten i.H.v. 190.940 EUR abgerechnet haben will. In den Rechnungen erscheint jeweils der Hinweis: "The charges for repairing of the machines inkl. painting are calculated according to an Expert". K 29 betrifft eine Rechnung vom 31.5.2006, in der die Klägerin den entgangenen Gewinn - abweichend von der in der Klage aufgestellten Berechnung - auf 197.034 EUR beziffert hat.
Der Richter in 1. Instanz hat ursprünglich verfügt (Bl. 41 d.A.), dass alle Anlagen zu übersetzen und zuzustellen seien. Auf die Anforderung der Kosten von 8.640 EUR für die Übersetzung von 108 Seiten teilte die Klägerin mit, dass aus ihrer Sicht ein Großteil der Anlagen nicht zu übersetzen sei, da diese entweder den Beklagten bekannt seien oder ohnehin in englischer Sprache abgefasst seien. Mit Verfügung vom 24.2.2009 (Bl. 44 d.A.) forderte der Einzelrichter die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) auf, klarzustellen, welche Anlagen zur Klageschrift den Beklagten zugestellt werden sollen; diese müssten auch übersetzt werden. Daraufhin verzichtete die Klägerin am 3.3.2009, Bl. 46 d.A., auf die Zustellung der Anlagen zur Klageschrift; diese sollten zunächst nicht zugestellt werden, da noch nicht ersichtlich sei, ob und in welchem Umfang die Gegenseite überhaupt bestreiten werde.
Laut Zustellungszeugnissen vom 1.9.2009, Bl. 55 und Bl. 56 d.A., ist die Klage neben den Vordrucken ZP 642 und 643, mit denen das LG die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens angeordnet und die Beklagten aufgefordert hat, binnen 4 Wochen nach Zustellung einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen oder einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, andernfalls spätere Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden könnten, beiden Beklagten am 17.6.2009 durch einfache Übergabe an den "personal service" zugestellt worden.
Nach Reduzierung des Klageantrags von 684.277,88 EUR auf 651.653, 88 EUR (Bl. 58, 58a, b d.A.) hat das LG auf Antrag der Klägerin, der bereits in der Klagesc...