Leitsatz (amtlich)
Auch ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren kann wirksam nur durch Zustellung einer Urteilsaufertigung zugestellt werden. Wird nur eine beglaubigte Abschrift zugestellt, ist dies unzureichend. Dadurch wird die Einspruchsfrist nicht ausgelöst.
Normenkette
ZPO § 310 Abs. 3 S. 1, § 317 Abs. 2 S. 1, § 331 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 26.04.2011; Aktenzeichen 3 O 104/10 I) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des LG Heilbronn vom 26.4.2011 (Az. 3 O 104/10 I) zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 2.11.2010 - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG Heilbronn zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 15.875,61 EUR
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. 15.875,61 EUR zzgl. Zinsen.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe am 18.10.1999 in G.(Ortsname) einen Betrag von 31.050 DM bei der Beklagten angelegt. Im Rahmen des Anlagegesprächs habe A. der als Vertriebsmitarbeiter der Beklagten aufgetreten sei, ihm u.a. versprochen, er könne seine Anlage jederzeit - auch telefonisch - zurückfordern. Der Betrag werde spätestens nach drei Monaten zurückbezahlt. Auf ein Totalverlustrisiko sei er nicht hingewiesen worden. Vielmehr habe A. ihm versprochen, der angelegte Grundbetrag sei zu 100 % abgesichert. Ihm sei die Bezahlung seiner Anlage zunächst am 18.10.1999 quittiert worden. Später habe er die Quittung gegen Übergabe einer Beteiligungsübersicht (Anlage K 1) wieder zurückgeben müssen. Tatsächlicher Inhalt des Anlagegeschäfts sei - entgegen seiner Vorstellung - weder ein Darlehen noch eine Anleihe gewesen. Stattdessen habe er vinkulierte Namensaktien an einer nicht börsennotierten Gesellschaft erworben, die die Beklagte nach türkischem - und deutschem - Aktienrecht gar nicht zurückkaufen dürfe und für die von Anfang an auch kein offener Markt bestanden habe. Auf sein Rückzahlungsverlangen habe die Beklagte nicht reagiert.
Mit Verfügung vom 12.7.2010 ordnete der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des LG Heilbronn als Einzelrichter das schriftliche Vorverfahren an. Er forderte die Beklagte auf, ihre Verteidigungsbereitschaft binnen vier Wochen ab Zustellung anzuzeigen und binnen weiterer vier Wochen zur Klage Stellung zu nehmen. Der Einzelrichter ordnete zudem an, dass die Beklagte - falls sie keinen Prozessbevollmächtigten bestelle - binnen vier Wochen ab Zustellung einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu bestellen habe, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat. Er wies die Beklagte gem. § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf hin, dass Zustellungen andernfalls künftig dadurch bewirkt werden können, dass das Schriftstück unter der Anschrift der Partei zur Post gegeben wird.
Die Klageschrift vom 8.4.2010 und die Verfügung vom 12.7.2010 wurden der Beklagten im Wege der Rechtshilfe gem. § 183 ZPO am 17.9.2010 zugestellt.
Nachdem die Beklagte binnen der Frist von vier Wochen weder ihre Verteidigungsbereitschaft anzeigte noch einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland benannte, erließ der Einzelrichter antragsgemäß aufgrund der Sach- und Rechtslage vom 2.11.2010 ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte, das am 4.11.2010 auf der Geschäftsstelle einging. Die Einspruchsfrist wurde dabei auf vier Wochen festgesetzt. Eine beglaubigte Abschrift dieses Versäumnisurteils wurde dem Kläger am 24.11.2011 gegen Empfangsbekenntnis seiner Rechtsanwälte zugestellt. Eine weitere beglaubigte Abschrift wurde am 22.11.2010 zur Post gegeben, um sie der Beklagten gem. § 184 ZPO zuzustellen.
Auf Antrag des Klägers vom 14.12.2010, der Beklagten das Versäumnisurteil auch nach § 183 ZPO zuzustellen, wurde die Zustellung einer weiteren beglaubigten Abschrift im Wege der Rechtshilfe bewirkt, die am 18.2.2011 erfolgt ist.
Mit am 18.3.2011 eingegangenem Schriftsatz haben sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten legitimiert, Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und auf die Klage erwidert.
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt und die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die die Aktivlegitimation des Klägers bestritten, denn es handle sich um Inhaberaktien, die der Kläger nicht vorgelegt habe.
Darüber hinaus hat die Beklagte vorgetragen, A. sei nicht ihr Mitarbeiter gewesen, sondern ein selbständiger Vermittler. Seine behaupteten Äußerungen hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Klägers habe es sich bei ihr, der Beklagten, um ein gesundes Unternehmen gehandelt; die Einlage des Klägers sei keinem besonderen Risiko ausgesetzt gewesen. Ein Hinweis auf ein Verlustrisiko sei daher rechtlich nicht geboten gewesen. Ohnehin habe der Kläger gewusst, dass er Aktien erwerbe und es auch zu Verlusten kommen könne. Es habe keine allgemeine Zusicherung gegeben, dass das Kapital je...