Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Mangel an einem Werk durch einen Planungsfehler des vom Auftraggeber beauftragten Planers (hier: Statiker) und unabhängig davon durch einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers verursacht, wobei beide Fehler für sich allein jeweils den ganzen Schaden verursacht hätten, liegt ein Fall der Doppelkausalität vor. Planer und Bauunternehmer haften dann dem Auftraggeber gesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden. (III. B. 5. der Gründe)
2. In einem solchen Fall der Doppelkausalität kann der Bauunternehmer dem Auftraggeber das planerische Verschulden nicht anspruchsmindernd entgegenhalten, weil das Planungsverschulden für das Ausführungsverschulden nicht (mit-)ursächlich geworden ist.
3. Ist in einem Vorschussprozess vor der Durchführung der Mängelbeseitigung noch unklar, welche Sanierungsmaßnahmen im Einzelnen erforderlich sein werden, und lässt sich die Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten deshalb nur innerhalb eines Rahmens eingrenzen, hat das Gericht den zu zahlenden Vorschuss gem. § 287 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung innerhalb dieser Spanne festzusetzen. (III. B. 4. b) aa) der Gründe)
4. Begehrt der Auftraggeber einen Kostenvorschuss für eine Maßnahme, die günstiger ist als die vom Auftragnehmer vertretene Mangelbeseitigungsmaßnahme, aber möglicherweise den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht entspricht, besteht dieser Anspruch, wenn der Auftraggeber das Risiko des Fehlschlagens der Mangelbeseitigungsmaßnahme wegen einer Abweichung gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik übernimmt. Dies erfordert, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist oder sich diese ohne Weiteres aus den Umständen ergeben oder der Auftraggeber hierüber bereits zB durch Privat- oder Gerichtsgutachten informiert ist (BGH, Urteil vom 14. November 2017 - VII ZR 65/14 -, BGHZ 217, 13-24, Rn. 29). (III. B. 4. c) bb) der Gründe)
Normenkette
BGB §§ 249, 254, 278, 280, 637 Abs. 3; VOB/B § 13 Abs. 5 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 28.05.2020; Aktenzeichen 7 O 9/16 KfH) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin und der Bekl. Ziff. 1 wird das Urteil des LG Ravensburg vom 28.5.2020 (Az. 7 O 9/16 KfH) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Bekl. Ziff. 1 wird verurteilt, an die Klägerin 296.723,66 EUR zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 206.135,20 EUR für die Zeit von 20.4.2016 bis 3.12.2019 und aus 296.723,66 EUR seit 4.12.2019. Die Bekl. Ziff. 1 wird weiter verurteilt, an die Klägerin 1.889,75 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.4.2016 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Bekl. Ziffer 1 verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche über Ziff. 1 hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die der Klägerin entstanden sind und entstehen werden, weil beim Bauvorhaben "Neubau WEG A." die Tiefgaragenbodenplatte von der Bekl. Ziffer 1 mit einer Betonüberdeckung (zwischen der Oberkante des Betonbodens und der oberen Bewehrungslage) in Teilbereichen von mehr als 55 mm und in anderen Teilbereichen mit weniger als 40 mm hergestellt wurde.
3. Es wird festgestellt, dass die Bekl. Ziff. 2 verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind und entstehen werden, dass beim Bauvorhaben "Neubau WEG A." die Tiefgaragenbodenplatte mit einer Betondeckung (zwischen der Oberkante des Betonbodens und der oberen Bewehrungslage) in Teilbereichen von mehr als 55 mm hergestellt wurde.
4. Es wird festgestellt, dass die Bekl. Ziff. 2 verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der Klägerin entstanden sind und entstehen werden, weil bei dem Bauvorhaben "Neubau WEG A." die Tiefgaragenbodenplatte weder einer Regel- noch einer Sonderbauweise gemäß dem DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen 2010 entspricht, sondern nach dem "System W." errichtet wurde.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Bekl. Ziff. 1 und die Berufung der Klägerin werden im Übrigen zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen sind wie folgt zu tragen:
- Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten 80% als Gesamtschuldner, die Bekl. Ziff. 1 trägt 3%, die Bekl. Ziff. 2 trägt 12% und die Klägerin trägt 5%.
- Von den außergerichtlichen Kosten der Bekl. Ziff. 1 trägt diese selbst 96% und die Klägerin 4%.
- Von den außergerichtlichen Kosten der Bekl. Ziff. 2 trägt diese selbst 94% und die Klägerin 6%.
IV. Von den außergerichtlichen Kosten des Streithelfers in 2. Instanz tragen die Beklagten 80% als Gesamtschuldner, die Bekl. Ziff. 1 trägt 3% und die Bekl. Ziff. 2 trägt 12%. Im Übrigen trägt der Streithelfer seine außergerichtlichen Kosten selbst.
V. Dieses Urteil und das Urteil des LG Ravensburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufi...