Leitsatz (amtlich)
1. Die Einordnung als Verbrauchergeschäft i.S.v. Art. 15, 16 LugÜ - mit der Folge, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht wirksam sind - ist bei einem Kapitalanlagegeschäft nicht von der Höhe des Anlagebetrags abhängig.
Auch bei einer Anlage von 50 Mio EUR kann ein Verbrauchergeschäft vorliegen, wenn es der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen ist.
2. Auch ein erfahrener und risikofreudiger Unternehmer, der im Rahmen seiner beruflichen und gewerblichen Tätigkeit ähnliche Geschäfte bereits als Unternehmer getätigt hat, ist Verbraucher, wenn er ein derartiges Geschäft später in seinem rein privaten Vermögensbereich abschließt.
3. Die Inanspruchnahme externer Beratung - durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt - steht der Einordnung als Verbrauchergeschäft nicht entgegen.
4. Zur Abgrenzung gewerblicher und privater Tätigkeit.
5. Eine Gerichtsstandsvereinbarung muss sich auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft beziehen.
Eine globale Gerichtsstandsvereinbarung "für alle Verfahren" im Rahmen der Eröffnung eines Bankkontos bezieht sich nicht auf einen später abgeschlossenen Kapitalanlageberatungsvertrag.
6. In der Fax-Rücksendung eines vom Kunden übersandten und unterschriebenen Kontoeröffnungsantrags durch eine Bank mit Paraphe kann nicht ohne weiteres eine Art. 23 LugÜ genügende Vertragserklärung der Bank gesehen werden, die der Schriftform genügt.
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 31.07.2014; Aktenzeichen 4 O 66/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.7.2014 verkündete Zwischenurteil der 4. Zivilkammer des LG Ulm wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 2 für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.000.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Anlageberatungsvertrag in Anspruch. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium geht es um die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt der internationalen Zuständigkeit.
Die Parteien stehen bzw. standen mindestens seit dem Jahr 2005 in Geschäftsbeziehung. Hinsichtlich der Umstände des Abschlusses diverser Konto- bzw. Depotführungsverträge nimmt der Senat auf die - auch graphische - Darstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils (UA S. 4 ff.) Bezug. Die Vertragsunterlagen wurden dabei zwischen den Parteien per Telefax versandt.
Daneben stehen bzw. standen auch Gesellschaften der vom Kläger beherrschten X-Gruppe ("Drogerie X"), u.a. die X Ltd. & Co. KG, in Geschäftsbeziehung mit der Beklagten.
Die AGB der Beklagten (deren Zugang der Kläger bestreitet; er hat aber wiederholt Dokumente - Kontoeröffnungsformulare und eine Vollmachtsurkunde - unterschrieben, die auch eine formularmäßige AGB-Empfangsbestätigungsklausel enthalten) sehen u.a. eine Klausel zur Wahl von anwendbarem Recht, Erfüllungsort und Gerichtsstand mit folgendem Wortlaut vor (Unterstreichung und Fettdruck auch im Original, Kursivdruck nur hier; praktisch wortlautgleich auch in späteren AGB-Fassungen):
AGB 2005 (Bl. 600 d.A.)
"18. Anwendbares Recht, Erfüllungsort und Gerichtsstand
Alle Rechtsbeziehungen des Kunden mit der Bank unterstehen schweizerischem Recht.
Erfüllungsort, Betreibungsort für Kunden mit ausländischem Wohnsitz und Gerichtsstand für alle Verfahren ist Basel oder der Ort jener Zweigniederlassung der Bank, mit welcher die Geschäftsbeziehung geführt wird. Die Bank ist indessen auch berechtigt (...)"
Einen - schriftlichen - Anlageberatungs- bzw. Vermögensverwaltungsvertrag gibt es hingegen nicht.
Der Kläger zeichnete Ende März 2011 50.000 Anteile (zu 50 Millionen EUR) an dem ... Fund (K4), wobei die Beklagte ihm für dieses Investment einen Kredit i.H.v. 25 Millionen EUR gewährte. Die andere Hälfte entnahm der Kläger einem Gesellschafterkonto bei der X KG. Vorausgegangen waren Beratungsgespräche, für die Herr E. S. (Leiter Private Banking) und Herr Dr. K. H. (Leiter Privatkunden Deutschland) den Kläger Ende 2010 bzw. Anfang 2011 an seinem Wohnort in U. aufgesucht hatten.
Die Beklagte rechnete den Auftrag unter dem 1.4.2011 (K5) i.H.v. (inkl. Steuern und Gebühren) 50.078.580,73 EUR ab. Der Zeichnungsschein wurde nicht an den Fonds weitergeleitet, sondern mit Anteilen aus dem Eigenbestand der Beklagten bedient (Bl. 335 u. K24, Bl. 409 f.). Das Transaktionsentgelt wurde von einem Privatkonto des Klägers abgebucht.
Der Kläger behauptet, zwischen den Parteien sei ein Kapitalanlageberatungsvertrag zustande gekommen, denn die Informationen, die die Mitarbeiter der Beklagten ihm hätten vermitteln sollen, seien für ihn - für die Beklagte erkennbar - von wesentlicher Bedeutung für die anstehende Investitionsentscheidung gewesen. Die Mitarbeiter der Beklagten seien mit der Empfehlung auf ihn z...