Revision durch Beschluss des BGH vom 13.03.2001 – VI ZR 280/00 – nicht angenommen.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzthaftung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der konsiliarisch zugezogene Neurologe hat alle auf neurologischem Fachgebiet liegenden differentialdiagnostisch naheliegenden Erkrankungen auszuschließen.

2. Die Überweisungen zu weiteren notwendigen Befunderhebungen an einen anderen Arzt (hier an den Radiologen zu einer Kernspintomographie) muss mit einer präzisen Fragestellung versehen werden, um eine unzureichende Untersuchung zu vermeiden.

3. Zum Ausschluss einer Sinusvenenthrombose ist bei einer unauffälligen Kernspintomographie eine Angiographie notwendig. Der konsiliarisch zugezogene Arzt muss sicherstellen, dass ihm in einem solchen Fall das Ergebnis der Kernspintomographie mitgeteilt wird. Seine Behandlung ist nicht mit der Anordnung der Kernspintomographie beendet.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 15 O 159/99)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8.10.1999 – 15 O 159/99 – wird

zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000,– DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Wert der Berufung und Beschwer des Beklagten:

180.000,– DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten, einen niedergelassenen Facharzt für Neurologie, mit dem Vorwurf fehlerhafter Diagnostik und unzureichender Befunderhebung auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr durch die verspätete Erkennung und Behandlung einer Sinusvenenthrombose entstanden ist.

Die seinerzeit 34jährige Klägerin wurde am 13.4.1992 in der F. durch Sectio von einem gesunden Kind entbunden. Die komplikationsreiche Schwangerschaft war durch eine tiefe Beinvenenthrombose (15. SSW), eine Nierenkolik (23./24. SSW) und eine EPH – Gestose belastet, die sich auch nach stationärer Aufnahme in der 33. SSW verschlechtert hatte und in der 38. SSW zur Schnittentbindung Anlaß gab.

Am 30.4.1992 wurde die Klägerin bei noch nicht vollständig abgeklungener Gestosesymptomatik und bestehendem Harnwegsinfekt mit entsprechender Medikation und im Hinblick auf die Thrombose noch teilheparinisiert in die hausärztliche Behandlung entlassen. Einen Tag später kam es bei mehrfachem Erbrechen zunehmend zu Kopfschmerzen und am 3.5.1992 gegen 22 Uhr zu einem Krampfanfall, der die sofortige Wiederaufnahme der Klägerin in der geburtshilflichen Abteilung der F. zur Folge hatte. Bei der Aufnahme wurden der linke Arm als hyperton angewinkelt und die Finger verkrampft beschrieben. Die Klägerin klagte laut Überwachungsblatt immer wieder über Kopfschmerzen und Zuckungen im linken Arm und Bein. Der Stationsarzt befundete bei im übrigen unauffälligem Status eine diskrete Facialisschwäche links und eine Herabsetzung der groben Kraft im linken Arm und Bein. Der konsiliarisch zugezogene Leiter der psychosomatischen Abteilung der F. beschrieb am 4.5.1992 gegen 18 Uhr eine „erschöpft und müde wirkende Patientin mit starkem Leidensdruck, u. U. etwas psychisch überlagert bei hysterischer Konstitution.” Wegen der seit der Aufnahme bestehenden leichten Halbseitenschwäche und „deutlicher Facialisparese links” empfahl er ein EEG und CT zur neurologischen sicheren Abklärung sowie ein neurologisches Konsil, das gegen 20 Uhr vom Beklagten durchgeführt wurde. In der Konsiliaranforderung ist auf die Vorgeschichte und die „im Verlauf des Tages zunehmenden Angaben linksseitiger Arm- und Beinschwäche (Lähmung)” hingewiesen. Der Beklagte befundete bei im übrigen unauffälligem Reflexstatus Berührungsparästhesien im Bereich des linken Trigeminusastes I–III sowie eine funktionell überlagerte Hemiparese links, die Arm und Bein betroffen hat bei mangelnder Mitarbeit (z. B. Gegeninnervation). Er empfahl bei „Verdacht auf funktionelle Störung ohne sicheren neurologisch pathologischen Befund” eine Kernspintomographie des Schädels. Nach einer im Überwachungsblatt als unruhig beschriebenen Nacht, in der die Klägerin weiter über Kopfschmerzen und Krämpfe klagte, wurde am Vormittag des 5.5.1992 im Radiologischen Institut Dr. T.-Z. durch den Praxisvertreter Dr. T. eine Kernspinuntersuchung des Schädels durchgeführt. Die Klägerin wurde dabei von dem Stationsarzt Dr. R. begleitet. Ob und mit welchem Ergebnis unter den beiden Ärzten die Möglichkeit einer Sinusvenenthrombose diskutiert wurde, ist streitig. In dem handschriftlichen Kurzbefund heißt es: „… etwas betonte innere und äußere Liquorräume, keine Raumforderung und Blutung, ein fraglicher Defekt im laterales Stammganglienbereich rechts entspricht einem Furchenanschnitt”. Im ausführlichen Befundbrief vom 6.5.1992 wird außerdem eine geringfügig inhomogene Darstellung des Sinus sagittalis erwähnt, die als strömungsbedingt gewertet wurde. Das am selben Tag in der F. abgeleitete EEG blieb ohne pathologischen Befund.

Die Klägerin wurde nach den Untersuchun...

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