Verfahrensgang
LG Heilbronn (Entscheidung vom 04.12.1998; Aktenzeichen 1b O 241/97) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 04.12.1998 - 1b O 241/97 - abgeändert:
1. Der Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an den Kläger 50.000,- DM zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte Ziff. 1 verpflichtet ist, dem Kläger zukünftige materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen, soweit sie auf die verzögerte Behandlung des am 11.02.1994 operierten Fibrosarkoms zurückzuführen sind und soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen tragen der Kläger und der Beklagte Ziff. 1 jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 trägt der Kläger. Der Beklagte Ziff. 1 trägt seiner außergerichtlichen Kosten selbst. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten tragen der Kläger und der Streithelfer jeweils zur Hälfte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Klägers und des Beklagten Ziff. 1: 60.000,- DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einer ärztlichen Behandlung.
Der am 31.01.1983 geborene Kläger suchte am 22.09.1993 den Streithelfer Dr. K, seinen Hausarzt, auf. Dieser stellte Abszesse im Gesicht und eine Schwellung im Stirnbereich fest, diagnostizierte ein Hämatom und begann eine Salbenbehandlung, die er am 27.09., 28.09., 30.09. und 01.10.1993 fortsetzte. Während sich die Abszesse besserten, hielt die Schwellung an. Als der Kläger sich am 22.10.1993 mit unveränderter Schwellung bei Dr. K vorstellte, überwies dieser den Kläger in die Ambulanz der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses M, dessen Träger der beklagte Landkreis war. Der Beklagte Dr. J, der die Chirurgische Abteilung des Kreiskrankenhauses M leitet und zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ermächtigt ist, stellte am 22.10.1993 eine flächige Weichteilschwellung im Bereich der rechten Schläfe in einer Ausdehnung von 8 x 10 cm mit einer zentralen geringfügigen Fluktuation ohne sensible oder motorische Ausfälle im Gesicht fest. Röntgenologisch war keine Fraktur oder Infraktion nachweisbar. Dr. J diagnostizierte ein flächiges altes Hämatom rechts temporal und empfahl den Eltern des Klägers und in einem Arztbrief vom 25.10.1993 an Dr. K eine weitmaschige Kontrolle durch den Hausarzt.
Am 17.01.1994 stellte sich der Kläger wieder beim Streithelfer vor, der keine Veränderung der Schwellung feststellte und den Kläger erneut an den Beklagten Ziff. 1 überwies. Der Beklagte Dr. J riet am 18.01.1994 zur operativen Revision, die nach stationärer Aufnahme im Kreiskrankenhaus M am 20.01.1994 erfolgte. Dr. J stellte dabei eine weiche und gelappt entwickelte Geschwulst fest. Die histologische Untersuchung der Probeexstirpation ergab einen bösartigen Tumor, ein Fibrosarkom. Der Kläger wurde nach weiterer Diagnostik am 11.02.1994 in der Universitätsklinik Heidelberg operiert. Der Tumor wurde en block reseziert mit Resektion von Haut, musculus temporalis, lateraler Orbita, exenteratio orbitae, Schädelbasis und Dura mit anschließender Duraplastik. Bei der Operation wurde festgestellt, daß der Tumor in die Orbitawand eingebrochen war. Am 27.10.1994 unterzog sich der Kläger einer weiteren Operation zur plastischen Korrektur.
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte Dr. J habe ihn fehlerhaft behandelt. Seine Eltern hätten dem Beklagten Dr. J mitgeteilt, daß er etwa im August 1993 in der T einen Schlag in den Bereich der Schläfe erhalten habe und sich daraufhin eine Schwellung entwickelt habe. Dr. J habe deshalb bereits am 22.10.1993 eine Probeentnahme veranlassen müssen. Die Empfehlung, den weiteren Verlauf abzuwarten und nach Weihnachten wieder zu kommen, sei fehlerhaft gewesen. Bei einer Probeentnahme wäre der Tumor bereits im Oktober 1993 entdeckt worden und das Ausmaß der später notwendigen Operation geringer ausgefallen, insbesondere hätte das Auge des Klägers erhalten werden können.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden - letztere soweit sie nach dem 27.01.1997 entstehen - zu ersetzen, soweit sie auf die fehlerhafte ärztliche Behandlung vom 22.10.1993 zurückzuführen sind.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen, bei der Vorstellung am 22.10.1993 sei davon die Rede gewesen, daß der Kläger vor etwa vier Wochen einen Schlag gegen die rechte Kopfseite erhalten habe. So habe er davon ausgehen können, daß es sich um ein Hämatom handele, das dabei sei, sich zu organisieren. Er habe darauf hingewie...