Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der Unfallvoraussetzungen kommt es ausschließlich auf dasjenige Ereignis an, das die Schädigung unmittelbar ausgelöst hat. Danach ist der Tod durch Ertrinken regelmäßig ein Unfalltod. Ursachen die zum Ertrinken geführt haben, sind im Rahmen der Ausschlusstatbestände der §§ 3 Abs. 4 AUB 61 bzw. Abs. 2 I Nr. 1 AUB 94 zu prüfen (im Anschluss an BGH VersR 1977, 736).

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 05.10.2005; Aktenzeichen 18 O 104/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 5.10.2005 - 18 O 104/05 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zzgl. eines Aufschlags von 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. eines Aufschlags von 10 % leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 102.258 EUR.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt - als Versicherungsnehmerin und Bezugsberechtigte im Todesfall - Leistungen aus einer Unfallversicherung. Versicherte Person war der am 21.9.1930 geborene und am 13.3.2003 verstorbene W.S. (vgl. Nachtrag zum Versicherungsschein vom 18.9.1996 - Bl. 101 d.A.). Dem Versicherungsvertrag lagen die AUB G. zugrunde, die weitgehend den AUB 61 entsprechen.

Der Versicherte hatte am Abend des 12.3.2003 in seinem Büro einen Geschäftstermin mit dem Zeugen R. G., der von 18.00 Uhr bis ca. 21.30 Uhr dauerte. Gegen 2.15 Uhr am 13.3.2003 wurde der Versicherte von der Klägerin, seiner Lebensgefährtin, tot in der Badewanne liegend aufgefunden. Aufgrund eines von der Klägerin veranlassten Notrufes trafen gegen 2.27 Uhr Polizeibeamte des Polizeireviers F. und gegen 2.29 Uhr der Notarzt Dr. E. im Haus des Versicherten ein. Dr. E. stellte keine Hinweise auf einen Selbstmord oder ein Tötungsdelikt fest (vgl. Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 101 UJs 1235/03 S. 5).

Auch die für die Leichenschau hinzugezogene Ärztin Dr. P. stellte keine äußeren Anzeichen von Gewalt fest. Gegenüber der Polizei (StA-Akte S. 7) hat sie weiter angegeben, als der Leichnam noch in der Badewanne gelegen habe, sei der Kopf außerhalb des Wassers gewesen. Der Verstorbene habe Schaum vor dem Mund gehabt. Die Leichenstarre sei an den Extremitäten bereits vollständig ausgeprägt gewesen. Weiter hat sie angegeben, aus ihr von der Klägerin übergebenen ärztlichen Unterlagen habe sie Diagnosen eines Immundefizit-Syndroms und eines Chronic-Fatigue-Syndroms entnehmen können. Vergleichbare Befunde ergeben sich aus dem von der Beklagten vorgelegten "Zusammenfassenden Befundbericht" von Dr. M. (Bl. 80 d.A., Anl. B 6).

Die mit den Ermittlungen befassten Polizeibeamten M. und G. haben den Leichenfundort (Zeitpunkt 4.45 Uhr) u.a. wie folgt beschrieben: Wassertemperatur 37 °C, Raumtemperatur 23 °C; Badewanne gefüllt bis ca. 3 cm unterhalb des Randes; am Badewannenrand im Kopfbereich bräunliche Schmutzantragungen; walnussgroßer Schaumpilz im Bereich des Mundes; unterhalb des Oberkörpers Kunststoffunterlage (Kopfunterlage, in der Badewannenmitte ca. 35 bis 75 cm große Badematte); bei Druck auf den Brustkorb Austritt von rötlich wässriger Flüssigkeit aus dem Mund; bei Drehen der Leiche weiterer Ausfluss rötlicher Flüssigkeit; Schaumpilznachbildung innerhalb von 30 Minuten, nachdem der Leichnam eine halbe Stunde auf dem Boden lag.

Zu der am Todestag um 6.45 Uhr durchgeführten polizeilichen Leichenschau hat der Polizeibeamte G. u.a. festgehalten: Am Kopf keine Verletzungen sicht- und tastbar; Leichenstarre an allen großen und kleinen Gelenken vollständig ausgeprägt; am Brustkorb keine Verletzungen; ebenso wenig an Armen, Händen, Beinen und Füßen.

Im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Verstorbene an einem grippalen Infekt litt und dass er oft sehr heiß badete (StA-Akte S. 14 ff.).

Wegen der Auffindenssituation des Verstorbenen wird ergänzend auf die von den Polizeibeamten gefertigten Lichtbilder (Anlage zum Protokoll vom 26.6.2006 = Bl. 41 StA-Akte) Bezug genommen.

Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Bestattungsunternehmens Sch. vom 28.4.2003 vorgelegt, wo es u.a. heißt:

"Auf Ihre Frage ob wir im Kopfbereich eine Wunde gesehen haben kann ich Ihnen nicht bestätigen aber beim säubern des Transportsarges waren im Kopfbereich Blutspuren im Sarginnern zu sehen."

Auf Veranlassung der Beklagten wurde am 17.3.2003 durch Dr. B., Facharzt für Rechtsmedizin, eine Leichenöffnung durchgeführt (zu den Einzelheiten vgl. Anl. K 2 - Bl. 8 ff. d.A.). Weiter wurde im Auftrag der Beklagten ein toxikologisches Gutachten von Prof. Dr. W., Institut für Rechtsmedizin der Universität T. (Anl. K 3 und K 4 - Bl. 25 ff. bzw. Bl. 35 ff. d.A.) und ein rechtsmedizinische...

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